Zukunft Ausbildung

Zukunft Ausbildung

Ausbildungs- und Zukunftschancen Jugendlicher 2020

Von allen Schulabgänger:innen in Deutschland verließ im Sommer 2020 mehr als jede:r Fünfte die Schule ohne oder mit einem Haupt- bzw. Erstem Schulabschluss. Viele von ihnen schauen pessimistisch in die Zukunft. Zu Recht, denn ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz, einen erfolgreichen Übergang ins Berufsleben und damit auch ihre persönliche Weiterentwicklung sind vergleichsweise gering.   

Szenarien und Perspektiven für das Jahr 2030

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und die Bertelsmann Stiftung haben 2021 ein Foresight-Vorhaben gestartet, um Zukunftsszenarien für die Berufsausbildung 2030 zu entwickeln und zu diskutieren. Ein Baustein war eine zweistufige Delphi-Befragung zu den Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven Jugendlicher mit maximal Erstem Schulabschluss (ESA). Dazu wurden über 100 Expert:innen aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach ihren Einschätzungen und Prognosen befragt. Die Befragung wurde vom Bureau fuer Zeitgeschehen (BfZ) durchgeführt. 

Prognosen und Handlungsmöglichkeiten

Die Ergebnisse der Delphi-Befragung sind aufrüttelnd und zeigen: Im Spannungsfeld zwischen steigenden Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen einerseits und rückläufigen Erwerbsperspektiven für Ungelernte andererseits wird es für Jugendliche mit niedriger Schulbildung immer schwieriger werden, ihren Weg in die Berufswelt zu finden. Aber es zeigen sich auch ein Hebel, um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken: Viel Potenzial wird etwa in der Berufsorientierung und individueller Begleitung gesehen, um jungen Menschen Übergänge zu erleichtern.

„Seit jeher begleiten und stärken wir mit unserer Arbeit junge Menschen bei ihrem Einstieg ins Berufsleben. Wir stellen fest, dass einst entwickelte Maßnahmen nicht mehr genügen, um alle jungen Menschen zu erreichen. Insbesondere Schüler:innen mit niedriger Schulbildung brauchen mehr Augenmerk zum Beispiel mittels individualisierter Begleitung. Durch die Untersuchung gewinnen wir Weitsicht zur Ausrichtung unserer zukünftigen und weiterhin erfolgreichen Arbeit. Gleichzeitig wollen wir mit den Ergebnissen Impulse für zeitgemäße Übergänge von der Schule in den Beruf geben. Alle Schulabgänger:innen haben das Recht auf faire Zugänge in eine Ausbildung als Voraussetzung für materielle Sicherheit.“
Frank Hinte, Geschäftsführer der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung

Steigende Anforderungen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt 

Die Mehrheit der 100 befragten Expert:innen erwartet, dass sich die beruflichen und damit die persönlichen Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schulbildung in den nächsten Jahren verschlechtern werden. Denn die Beschäftigungsmöglichkeiten für Nicht- bzw. Geringqualifizierte werden abnehmen und die Qualifikationsanforderungen weiter steigen. Zugleich werden digitale und soziale Kompetenzen an Bedeutung gewinnen. 

Aktuelle Herausforderungen bleiben bestehen

Die Expert:innen sind sich einig: Die enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg wird bis 2030 nicht durchbrochen sein. Und auch für die wachsenden Passungsprobleme – also viele unbesetzte Ausbildungsstellen trotz zahlreicher Jugendlicher, die keinen Ausbildungsplatz finden – zeichnet sich keine Lösung ab. Beides betrifft vor allem Jugendliche, die in Risikolagen aufwachsen. Die Ausbildungs- und Zukunftschancen im Bildungssystem bleiben somit ungleich verteilt und der Reformdruck nimmt zu.

Lösungen liegen auf der Hand: Unterstützung und Flexibilisierung

Die meisten Expert:innen sehen in der Verbesserung der Berufsorientierung und der individuellen Begleitung das größte Potential, um zukünftig die Übergangschancen von Jugendlichen ohne bzw. mit niedrigem Schulabschluss in eine Ausbildung zu erhöhen. Und auch eine weitere Flexibilisierung und Modularisierung des Ausbildungssystems hielte eine Mehrheit für wichtig, da Betriebe zunehmend Menschen mit Teilqualifikationen nachfragen werden. Wenn Jugendliche darüber schrittweise einen vollwertigen Ausbildungsabschluss erhalten, eröffnet das wichtige Anschlussperspektiven.

„Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Thema unserer Zeit. Es geht aber auch um die persönliche Zukunft der Jugendlichen. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, ob wir es uns weiter leisten können und wollen, dass jedes Jahr viele Jugendliche keinen Anschluss finden und gleichzeitig die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt. Es braucht endlich entschlossenes Anpacken, um wirklich allen Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung und damit individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen.“
Andreas Knoke, Leitung Programme