07.05.2021 · Aktuelles / Berlin / Brandenburg / Mecklenburg-Vorpommern

Wieder Lernfreude wecken

Annekathrin Schmitdt, Standortleiterin der DKJS, beim Berliner Bildungstalk

© dkjs

Ein Input zu jugendlichen Lebenswelten entlang der SINUS-Jugendstudie bildete am 5. Mai den Auftakt zum ersten Bildungstalk der DKJS innerhalb der Reihe rangezoomt. Fünf Gäste aus drei Bundesländern und über 60 Zuhörer:innen, die über den Chat engagagiert mitdiskutierten, sprachen darüber, wie man insbesondere junge Menschen in Risikolagen erreichen, stärken und ins Mitgestalten bringen kann. Annekathrin Schmidt, Standortleiterin der DKJS, moderierte die digitale Gesprächsrunde.

Schule als Lebensort

Schule, so wurde im Beitrag von Wiebke Jessen zur SINUS-Studie „Wie ticken Jugendliche“ deutlich, betrachten Jugendliche eher als Durchgangs-, weniger als Lebensort, an dem sie sich mit ihren Bedürfnissen wiederfinden - gerade, wenn Schule für sie mit Angst vor Fehlern, schlechten Noten und Überforderungsgefühlen verbunden ist. Leistungserhöhung wird eingefordert, aber nicht aufgezeigt, wie das gelingen kann. Das frustriert besonders junge Menschen aus prekären Lebenswelten.

Wie wichtig eine persönliche Ansprache und individuelles Mutmachen für diese Jugendlichen sind, erzählte Katja Urbatsch von Arbeiterkind.de: „Der Impuls, sich etwas zuzutrauen, kommt durch Menschen.“ Oft bestimme eine pessimistische Grundhaltung in bildungsfernen Familien das Selbstbild der Jugendlichen: „Das schaffst du doch eh nicht.“ Doch solche Ansprache sei gerade im ländlichen Raum durch fehlende Strukturen kaum noch möglich, betonte Christian Utpatel von der RAA Mecklenburg-Vorpommern.

In der Schule können junge Menschen aus allen Lebenswelten zusammenkommen. Sie ist auch deshalb der zentrale Ort, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, an dem es gelingen kann, bestehende Ungleichheiten und Benachteiligung abzubauen. Dies braucht eine gute Kooperation von Jugendhilfe und Schule und eine Offenheit für weitere Partner:innen aus dem Sozialraum. Schule kann überall die Chance bieten, Jugendlichen Anregungen zu geben, z.B. über Vorbilder und Mentor:innen. Insbesondere in Pandemiezeiten sei es wichtig, die Resilienz der Jugendlichen zu stärken und Bildungsungleichheiten nicht noch größer werden zu lassen.

Qualität als Magnet

Die neue Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Anne Rolvering, freute sich über die Premiere, für die DKJS sprechen zu dürfen. Die Gerechtigkeitsfrage der Bildung ist für sie ein Garant des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Berlin, so Maja Lasić, bildungspolitische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion, steht in manchen Kiezen vor der Herausforderung, dass fast 100 Prozent der Schüler aus benachteiligten Situationen kommen, unabhängig vom Schultyp. Für mehr soziale Mischung sei hier die Schulqualität entscheidend. Qualität ist ein Magnet, der auch bildungsbewusste Familien aus anderen Bezirken anzieht, so Lasić.

Ob Ressourcen gerecht verteilt werden oder nur bei einer gesellschaftlichen Gruppe landen, beschäftigt Karsten Friedel. Eine Milieustudie, so der Referatsleiter des Brandenburger Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, könne gut geeignet sein, um das eigene Handeln und seine Folgen zu reflektieren, Stichwort Sozialräumliche Budgetierung. Momentan schauten alle nur auf die Lernstandserhebungen. Bis zu zwanzig Prozent haben schon vor Corona die Lernziele nicht erreicht. Mehr Unterricht, der an Stundentafel und Stoff orientiert ist, erreicht einen großen Teil der Schülerinnen und Schüler gar nicht.

Anne Rolvering forderte gerade jetzt ein ganzheitliches Herangehen, um Bildungslücken nicht noch größer werden zu lassen: „Aufholen nach der Pandemie kann nicht nur bedeuten: Lernverluste ausgleichen, sondern muss auch heißen: Lernfreude wiederbringen.“

Mit der Reihe rangezoomt. Jugendliche Lebenswelten lädt die DKJS regionale Politik, Verwaltung und Bildungspraxis ein, anhand der aktuellen SINUS-Jugendstudie ihre Arbeit mit und für Jugendliche wirksamer zu gestalten und näher auf die Lebenswelten und Bedürfnisse gerade von benachteiligten Jugendlichen einzugehen. Gefördert wird das Projekt durch die Soziallotterie freiheit+.