19.03.2015 · Aktuelles

Was macht eigentliche eine digitale Vordenkerin?

© dkjs

....fragten wir Claudia Becker, die in dieser Funktion bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung arbeitet.

Als digitale Vordenkerin berate ich die Teams der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Mein Fokus liegt dabei auf der digitalen Transformation in Bezug auf Bildung und auf die Organisations- und Arbeitskultur von und in Bildungseinrichtungen. Der digitale Wandel hat nicht nur zu vielen technischen Neuerungen geführt  - er wirkt sich auch umfassend auf unsere Kultur, wie wir kommunizieren, leben und arbeiten aus.

Besonders die Lebenswirklichkeiten und Lernumgebungen von Kindern und Jugendlichen haben sich durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sehr stark  verändert.  Als Bildungsstiftung müssen wir dem Rechnung tragen und uns fragen, wie wir unser Ziel - den Bildungserfolg und die Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an der Gesellschaft zu verbessern -  mit Hilfe von digitalen Technologien noch besser umsetzen können. Daran arbeite ich zurzeit gemeinsam mit dem stiftungsinternen und abteilungsübergreifenden Think Tank – dem Wissensteam Digitales.

Wie verändert sich Bildung im digitalen Zeitalter?

Die Art und Weise, wie Wissen erzeugt und vermittelt wird, hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten fundamental gewandelt. Bei der Frage, wie verändern die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien Bildung, geht es nur vordergründig um den Einsatz der neuesten technischen Gadgets, wie beispielsweise die Anwendung von Smart Boards oder Tablets im Unterricht, oder um die Frage, ob jeder programmieren lernen muss.

Schon länger sprechen wir davon, dass wir in einem Informationszeitalter und  einer Wissensgesellschaft leben, in der sich Wissen und Kompetenzen so rasant verändern, dass das lebenslange Lernen immer stärker an Bedeutung gewinnt. Somit ist die tieferliegende, die eigentlich interessante Frage: Wie verändert sich das System Bildung? Wie die Architektur des Wissens, der Wissenserzeugung und der Wissensvermittlung - und wie müssen wir darauf reagieren, um für Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe aller Kinder  und Jugendlichen an der Gesellschaft zu sorgen? Im Zeitalter der Informationsübersättigung müssen wir bei Kindern und Jugendlichen vor allem eine Informations- und IKT*-Kompetenz ausbilden und bei ihnen die Lust zu lernen fördern.

Muss dann heutzutage jedes Kind programmieren lernen?

Nein, nicht jeder muss heute programmieren lernen im Sinne der maschinennahen Programmiersprachen. Jedoch sollte jeder die Grundfunktionen von Informations- und Kommunikationstechnologien - und dazu gehören auch die Programmiersprachen - verstehen, um sich gegebenenfalls in dem Bereich weiterzubilden, den man interessant findet. Und dafür reicht es oft aus, sich mit der visuellen Programmierung zu beschäftigen. Nicht jedes Kind und jeder Jugendliche will und sollte später Programmierer werden. Doch mit Hilfe von grafischen Programmiersprachen wie beispielsweise „Scratch“ kann man intuitiv wichtige Grundregeln der Programmierung wie Implikationslogik und Schleifen schon sehr früh erlernen.

Begeisterung für´s Tüfteln durch kreative Aneignung der Technik

Aber viel wichtiger ist es, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die in den Technologien stecken. Dafür müssen wir ihnen den Spaß im Umgang mit Technik vermitteln. Und das schaffen wir nur, wenn auch ihre erwachsenen Begleiter im Umgang mit Technik geschult werden. Was oft fehlt, ist die Begeisterung fürs Basteln und für den kreativen Umgang mit Technik: Wir brauchen eine techno-ästhetische Bildung. Im Sinne des do-it-yourself-Gedankens ermöglichen beispielsweise Roboterbausätze sehr gut eine solche kreative Aneignung der Technik. Roboter eignen sich hervorragend zum Vermitteln von Grundlagen im Bereich der Hardware und Software. Denn das Feld der Kulturtechniken für das digitale Zeitalter ist weitaus umfassender und kann nicht nur auf das Programmieren reduziert werden. Ich halte beispielsweise das Löten für eine der grundlegenden Kulturtechniken für das Basteln mit Hardware. Sie glauben gar nicht, wie viel Spaß das Kindern – Mädchen wie Jungen – machen kann!

 

Claudia Becker ist seit 2014 als digitale Vordenkerin bei der DKJS beschäftigt. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und forschte anschließend am Institut für Bildmedien des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.

Am 21. März  diskutiert sie beim Münchner Stiftungsfrühling in einer Podiumsdiskussion das Thema Leben und Lernen in der digitalen Welt.

*ITK = Informations- und Kommunikationstechnik