24.06.2022 · Aktuelles

Stellungnahme zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) 

Die Änderung des Jugendmedienstaatsvertrages ist mit Blick auf die Art und Weise, wie junge Menschen mit Medien in Kontakt kommen und diese jetzt und in Zukunft wahrnehmen, ein wichtiges Vorhaben. Die Änderungen aus April 2022 beleuchten wichtige Aspekte aktueller Lebenswelten von Jugendlichen wie etwa den Schutz vor Gewaltdarstellungen. Vor allem gilt es, Vereinbarungen zu finden, die Jugendliche am Smartphone, Tablet und Laptop genauso schützen, wie am Radio, Fernseher oder vor Zeitschriften.  

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) möchte vor der ausführlichen Diskussion einzelner Paragrafen zwei Themen besonders in den Fokus nehmen: 

  1. Eine einhundertprozentige Regulierung von Medieninhalten ist durch die mediatisierten Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen nicht möglich. Starke Eingriffe, gerade in technische Infrastrukturen, beschneiden die Nutzbarkeiten von Geräten erheblich. Nachhaltiger und effektiver wäre es, wenn die Rundfunkkommission den Staatsvertrag stärkeorientiert konzipiert. Statt ausschließlich auf technischen Schutz vor Inhalten zu setzen, empfehlen wir   einen Wandel hin zur Stärkung medienpädagogischer Arbeiten für Kinder und Jugendliche. 

  1. Die Vereinbarungen des Staatsvertrages greifen massiv in die Inhalte ein, die Kinder und Jugendliche wahrnehmen und mit denen ihr Weltbild geformt wird. Die Verhandlung dessen, was Kindern und Jugendlichen in spezifischen Altersstufen zugemutet werden kann, sollte einen partizipativen Rahmen erhalten. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kann zu einem Qualitätsmerkmal des deutschen Jugendmedienschutzes werden. 

Ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz ist gerade für Eltern elementar. Daher sollte auf das Zusammenspiel von Kind, Eltern und pädagogischen Fachkräften geschaut werden. Dieses Dreieck der Bildungspartnerschaft ist es, dass Kinder optimal sensibilisiert, fördert und stärkt.  

Als Stiftung setzt sich die DKJS für gerechte Bildungschancen und Teilhabe für alle Kinder und Jugendliche in Deutschland ein. Unsere Erfahrungen stammen aus der langjährigen, überregionalen und deutschlandweiten Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen aus der Bildungspraxis, Verwaltung, Politik, der Wissenschaft und Zivilgesellschaft. 

Im Nachfolgenden möchte die DKJS dezidierter zu den Änderungen der §§ 5, 12, 14 und 24 Stellung nehmen. 

§12 Anforderung an Betriebssysteme – Bestehende medienpädagogische Arbeit nicht gefährden. 

Die unter §12 beschriebenen Anforderungen an Betriebssysteme stellen einen massiven Eingriff in die Nutzbarkeit von technischen Geräten dar. Anstelle von sehr strikten technischen Regulierungen hätten flächendeckende medienpädagogische Angebote einen wesentlich höheren Erfolg. Die beschriebenen Regelungen sind aus drei Aspekten kritisch zu diskutieren. 

1) Es ist mittlerweile üblich mit Kindern und Jugendlichen in medienpädagogischen Settings selbst Apps zu programmieren. Diese Form an Angeboten helfen Zukunftskompetenzen aufzubauen. Dazu gehört auch die selbst programmierten Apps auf die eigenen Endgeräte zu installieren. Dies dient einerseits der Erfolgskontrolle und andererseits stellt es den zentralen Moment der Selbstwirksamkeit dar, der Kinder und Jugendliche nachhaltig stärkt. Die beschriebene Regelung unter §12 Abs. 2 Nr. 2 verhindert diese erfolgreichen Ansätze der medienpädagogischen Bildungsarbeit.   

2) Häufig kommen Mobile Devices bspw. in Form von Bring Your Own Device Formaten in Schulen zum Einsatz. Die Geräte der Kinder werden im Unterricht unter anderem für Recherche und Präsentationen genutzt. Durch die in §12 Abs. 2 Nr.1 und §12 Abs. 4 beschriebenen Anforderungen wird mitunter verhindert, dass die Geräte im Rahmen solcher schulischen Konzepte genutzt werden können. Eine erfolgreiche und kritische Recherche von Inhalten ist mit den genannten Einschränkungen nicht möglich. Gleichzeitig scheint es unrealistisch, dass das unter §12 Abs. 4 beschriebene Verfahren stets aktuell gehalten werden kann.  

3) Die Regelungen des §12 geht aus Sicht der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung fundamental am eigentlichen wichtigen Regelungsbedarf vorbei. Wirksam wäre es, sich auf eine Reglementierung von sozialen Medien wie Instagram, TikTok, YouTube, Snapchat und Co. zu fokussieren und dort zentrale (bereits bestehende) Altersbarrieren auch wirklich durchzusetzen. Gleichzeitig sollte es Aufgabe der Anbieter sozialer Medien sein, Content-Filter für spezifische Altersgruppen wirksam und prüfbar aufzubauen und umzusetzen. Dies hätte wesentlich mehr positive Effekte auf den Jugendmedienschutz als die Kontrolle der Betriebssoftware, App-Vetriebsplattformen und der inhaltlichen Kontrolle des gesamten, durch Suchfunktionen, nutzbaren Internets. 

§14 Kommission für Jugendmedienschutz – Besetzung und Entscheidungen partizipativ gestalten 

Die KJM setzt sich aus 12 Sachverständigen zusammen, wie Mitglieder aus dem Kreis der Direktor:innen der Landesmedienanstalten sowie Vertreter:innen der für den Jugendschutz zuständigen Landes- und Bundesbehörden. 

Aus Sicht der DKJS würde der Schutz von Kindern und Jugendlichen von einer Neuausrichtung der Gremienbesetzung profitieren. Dazu zählt ein Personenkreis, der professionsbedingt näher mit den Bedürfnissen und entwicklungsbeeinflussenden Faktoren der Zielgruppe vertraut ist, beispielsweise Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen, Schulsozialarbeiter:innen, Medienpädagog:innen, Erzieher:innen oder Lehrkräfte, da hier weitreichende Entscheidungen getroffen werden, die die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen maßgeblich beeinflussen. Im Einklang mit Art 12 der UN-Kinderrechtskonvention sollten Kinder und Jugendliche an der KJM verbindlich als Vollmitglieder beteiligt werden. Konsequent wäre es, wenn jedem erwachsenen Mitglied aus dem Kreis der Sachverständigen ein:e Vertreter:in im Alter von 10 bis 18 Jahren gegenübersteht. Diese könnten sich bspw. aus den Vertretungsstrukturen der Schüler:innen ergeben (Landesschülerausschüsse oder Bundesschülerkonferenz).  

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen liegt aber auch in der Personensorgepflicht von Eltern, die unter anderem die Sicherung der psychischen Gesundheit einschließt. Demnach würde die Einbindung der Elternsicht, z.B. durch den Bundeselternrat, die Sichtweise der engsten Vertrauten der Zielgruppe berücksichtigen und die Maßnahmen zum Schutz von Jugendlichen könnten so auf Praxistauglichkeit und reale Bedarfe geprüft werden. 

§24 Ordnungswidrigkeiten – Ordnungsgelder verpflichtend sinnvoll einsetzen  

Wir empfehlen einen sinnstiftenden und wirkungsvollen Einsatz der Bußgelder im JMStV zu verankern, der dem unmittelbaren Zweck des Staatsvertrages dient. Denkbar wäre die Etablierung eines Förderfonds, in den die Bußgelder verpflichtend einfließen. Medienpädagogische Einrichtungen könnten sich bei der KJM registrieren, um projektbezogene Mittel aus dem Förderfonds zu erhalten. Diese Projekte sollten direkt auf die Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen einzahlen. Die registrierten medienpädagogischen Einrichtungen dürften keine Institutionen sein, die von den Anbietern selbst bereits unterstützt werden (bspw. Stiftung Chancen mit der Kooperation von Telefónica). Der Jugendmedienstaatsvertrag könnte somit einen zeitgemäßen Standard setzen und nicht nur als Instrument der Reglementierung sowie des Verbots, sondern zu einem Instrument werden, das aktiv medienpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche ermöglicht. 

Wir empfehlen daher, auch die Bußgelder ähnlich wie bei der DSGVO zu erhöhen.  Dazu gehört die Kopplung des Bußgeldes an den globalen Jahresumsatz. In Art. 83 DSGVO ist geregelt, dass bei einzelnen Verstößen Bußgelder in Höhe von 20 Mio. Euro oder alternativ Bußgelder in Höhe von vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden können. Das macht insofern Sinn, da viele Anbieter:innen von Medieninhalten heute globale Unternehmen sind, die sich von der bestehenden Höhe der Bußgelder nicht beeindrucken lassen. Für Eltern ist schwer nachvollziehbar, warum die Bußgelder für den Jugendmedienschutz mit max. 500.000 Euro so viel niedriger liegen als die im Datenschutzrecht. 

§5 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote – Transparenz sichern und Nachweispflicht umkehren.

Zur Akzeptanz des Kinder- und Jugendmedienschutzes ist es wichtig, dass die Kriterien zur Alterseinstufung auf einfache Art auch für Kinder und Jugendliche sowie ihren Eltern als auch den Anbieter:innen einsehbar sind. Aus der Formulierung in §5 Abs. 1 Satz 3 geht das zu unserem Bedauern nicht hervor. So wird ausschließlich von wesentlichen Gründen im Konjunktiv geschrieben. Eine Verpflichtung für mehr Transparenz ist dies kaum und dient somit nicht der Akzeptanzsteigerung. Hier ist ein Hinweis auf die konkreten „geeigneten Stellen“ wünschenswert. Die Kriterien sind für Anbieter:innen wenig transparent, wenn sie hier nicht festgelegt werden. Die gemeinsame Festlegung der Kriterien ist nur zwischen den anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle mit den bei ihnen angeschlossenen Anbietern (s.§19a (3)) vorgesehen. Ein öffentlicher kritischer Diskurs sollte gewünscht sein und wird nur ermöglicht, wenn sich die Rundfunkkommission und die KJM verpflichten, die wesentlichen Gründe der Alterseinstufung transparent zu halten.  

Eine Überarbeitung des § 5 Abs. 9 lohnt sich darüber hinaus ebenfalls. Wir empfehlen die Nachweispflicht standardisiert bei den Anbieter:innen zu verankern. Sie weisen nach, warum das Angebot nicht entwicklungsbeeinträchtigend ist und die KJM prüft nach transparenten Kriterien die Argumentation. 

Gerne diskutieren wir die von der DKJS genannten Empfehlungen mit Ihnen persönlich weiter. Gerade zur Ausrichtung des Jugendmedienschutzes hin zu einer stärkeorientierten Praxis, die Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern und pädagogische Fachkräfte nicht nur einbindet, sondern ihre Arbeit auch unterstützt, kann diesen JMStv zum Erfolg führen. 

 

Kontakt 

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH 
Tempelhofer Ufer 11 
10963 Berlin 
Tel. +49 (0)30 - 25 76 76 - 0
 

Lassen Sie uns ins Gespräch kommen: 

Frank Hinte: Geschäftsführer  frank.hinte[at]dkjs.de    

Stefan Schönwetter: Leitung Digitale Bildung stefan.schoenwetter[at]dkjs.de 

Anna Busse: Programmmitarbeiterin anna.busse[at]dkjs.de