02.12.2021 · Aktuelles

Zukunft braucht Jugend – Was junge Menschen brauchen um sich zu engagieren

© dkjs

Anlässlich des 6. Deutschen EngagementTag, berichtet Peggy Eckert, Programmleiterin bei Stark im Land, im Interview, was Jugendliche vor allem in ländlichen Räumen brauchen, um sich zu engagieren.

Bereits 2019 hat die DKJS im Auftrag des Bundesjugendministeriums junge Menschen im Alter von 15 bis 27 Jahren dazu befragt, was sie motiviert ehrenamtlich tätig zu werden. Und zwar jene, die bereits engagiert in Projekten waren, als auch solche, die es (noch) nicht sind.

Woher kamen die Teilnehmenden der Befragung?

Peggy Eckert: Um Teilnehmende für die Veranstaltungen zu gewinnen, wurden in u_count Partner:innen aus der unmittelbaren Lebenswelt der jungen Menschen wie Schule, Tanzverein oder Feuerwehr beteiligt. Die Veranstaltungen fanden sowohl in städtischen Ballungsgebieten wie Hamburg oder Berlin statt als auch in ländlichen Räumen wie Mittelherwigsdorf an der polnischen Grenze und in Oberviechtach in der Oberpfalz.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse aus u_count?

Peggy Eckert: Insgesamt können wir vier Kernaussagen treffen.

  1. Junge Menschen wollen sich engagieren und ihr Umfeld mitgestalten, ihnen fehlt es aber häufig an Informationen und Zugängen zum Engagement. Sie wünschen sich vor allem jugendgerechte Informationswege.
  2. Die zweite Kernaussage ist, dass junge Menschen sich Anerkennung für ihr Engagement aus dem direkten Umfeld, also Familie, Freundeskreis usw. wünschen. Ihnen ist „echtes“ Lob also wichtiger als Likes in den sozialen Netzwerken. Monetäre Aufwandsentschädigungen sind ihnen dabei nicht so wichtig. Aber sie wünschen sich Qualifikationsnachweise oder Freistellungen von der Schule.
  3. Der dritte Punkt ist das Ansehen von freiwilligem Engagement in unserer Gesellschaft. Die jungen Menschen haben uns erzählt, dass aus ihrer Sicht Engagement oft ein negatives Ansehen hat. Besonders unter Gleichaltrigen stoßen junge Menschen auf abweisende Reaktionen, wenn sie sich engagieren oder von ihrem Engagement berichten. Das schreckt sie ab und hemmt sie, selbst ein Engagement aufzunehmen.
  4. Als letzte Kernaussage kann der Wunsch nach Partizipation genannt werden. Junge Menschen wollen in ihrem Engagement mitbestimmen- und entscheiden. Sie wollen von Erwachsenen ernst genommen werden und ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Jetzt gilt es diese Erkenntnisse auch künftig noch stärker einzubeziehen in konkreten Bereichen der betroffenen Projekte in der DKJS.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse zu jungem Engagement in ländlichen Räumen?

Peggy Eckert: Uns war es bei u_count ein großes Anliegen mit einer möglichst heterogenen Gruppe von jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Dabei wollten wir auch Zielgruppen beleuchten, die bisher im Engagement weniger häufig vertreten sind. Eine von diesen Zielgruppen stellen junge Menschen in strukturschwachen ländlichen Räumen dar. Um Aussagen über die Zielgruppe treffen zu können, bietet es sich an sie im Vergleich zu jungen Menschen aus der Stadt zu betrachten.

Auffällig ist da zum Beispiel, dass Jugendliche und junge Erwachsene aus ländlichen Räumen deutlich häufiger über Printmedien wie Zeitschriften, Zeitungen oder das Amtsblatt über freiwilliges Engagement und Freiwilligendienste informiert werden wollen als solche aus städtischen Räumen.

Für junge Menschen aus ländlichen Räumen sind Spaß haben und mit anderen Menschen zusammen zu kommen zentrale Motive für ihr Engagement. Ihr Engagement üben sie häufiger in den Bereichen des Sports und der Kirchengemeinde als junge Menschen aus der Stadt. Sie finden häufiger über persönliche Kontakte ins Engagement. In der Stadt erfolgt dies häufiger übers Internet.

Hinderlich um sich zu engagieren, sind aus Sicht der Teilnehmenden in ländlichen Räumen vor allem drei Dinge:

  1. Schlecht ausgebauter ÖPNV,
  2. weniger Zusammenhalt und
  3. fehlende Angebote.

Sie berichten davon, dass sie den Ort ihres Engagements nur schwer erreichen können uns somit häufiger von der Bereitschaft der Eltern sie zu fahren abhängig sind. Einige der jungen Menschen erzählen von einem sinkenden Zusammenhalt vor Ort. Sie nehmen wahr, dass sich weniger für das Gemeinwohl interessiert wird und Menschen seltener bereit sind sich zu engagieren. Auch berichten sie davon, dass es für ihre Altersgruppe wenig ansprechende Angebote gibt.

Welche Handlungsempfehlungen haben Ihnen die jungen Menschen mitgegeben oder können daraus abgeleitet werden?

Peggy Eckert: Die jungen Menschen schlagen beispielsweise vor die Fahrkarten für den Nahverkehr zu vergünstigen. Auch wünschen sie sich eine Stärkung des Zusammenhalts durch gemeinsame Dorffeste. Um Angebote attraktiver zu machen, schlagen sie vor, Zugänge zu Sportplätzen nicht nur Vereinen zu ermöglichen, sondern diese für alle zu öffnen.

Darüber hinaus ist ein zentraler Aspekt die jugendgerechte Informationsübermittlung und Ansprache. Dafür sollten Vereine und andere Einrichtungen vor allem überprüfen, ob sie Social-Media-Kanäle stärker nutzen können. Denkbar wären zum Beispiel stärkere Kooperationen von Schule und Zivilgesellschaft. Die jungen Menschen verbringen einen Großteil ihres Tages in der Schule, diese könnte als Informationsort genutzt werden. So könnten sich hier Vereine mit ihren Angeboten vorstellen.

Auch die Vernetzung mit Einrichtungen der offenen Jugendarbeit wie Jugendclubs scheint eine gute Möglichkeit, um jungen Menschen erfahrungsbasiertes Lernen zu ermöglichen. Dieses Erleben führt außerdem zu einer Stärkung ihrer Kompetenzen. Sie machen Selbstwirksamkeitserfahrung und bilden beispielsweise dadurch ihre Demokratiekompetenz aus.

Deshalb sollte jungen Menschen mehr Partizipation im Engagement ermöglichen werden. Sie brauchen dabei aber echte Entscheidungsspieleräume. Es empfiehlt sich die Anerkennungskultur nicht nur innerhalb der Einrichtung zu stärken, sondern auch nach außen hin zu kräftigen.

Durch die Ganztagsschule und weitere Faktoren verfügen junge Menschen häufig nur über wenig zeitliche Ressourcen. Angebote für Engagement sollten deshalb so gestaltet sein, dass sie dennoch wahrgenommen werden können. Beispielsweise durch die Arbeit im Tandem oder passende aufteilbare Aufgabenpakete.

Darüber hinaus bietet sich auch die Nutzung digitaler Unterstützungsmöglichkeiten wie Kommunikationstools für weitere Partizipationsgelegenheiten an. Für eine möglichst hohe Attraktivität lässt sich sagen, dass Engagementangebote für junge Menschen spannend und abwechslungsreich gestaltet sein sollten. Außerdem sollte den potenziellen Teilnehmern stets ein schneller und unbürokratischer Zugang zu den Projekten ermöglicht werden.

Welche Erkenntnisse gibt es zu Freiwilligendiensten in ländlichen Räumen?

Peggy Eckert: Grundsätzlich ist die Bereitschaft einen Freiwilligendienst zu absolvieren auf dem Land genauso hoch wie in der Stadt. Deutlich häufiger wurde von Teilnehmenden aus den ländlichen Räumen attraktivere Alternativen wie ein Studium als Grund, der gegen einen Freiwilligendienst spricht, genannt. Gründe dafür könnten sein, dass ein Studium häufiger mit einem Auszug von Zuhause verbunden ist. Da ist in einem Freiwilligendienst eher seltener der Fall. Auch gibt es auf dem Land häufig weniger Vielfalt an Einsatzstellen. Die jungen Menschen berichteten auch davon sich weniger über Freiwilligendienste informiert zu fühlen als Gleichaltrige aus der Stadt.

Danke für das Interview!

 

Mit dem Programmverbund Stark im Land – Lebensräume gemeinsam gestalten macht sich die DKJS für Kinder- und Jugendbeteiligung in ländlichen Räumen in Sachsen stark.