29.09.2017 · Aktuelles

Von Scheinbeteiligung zu Empowerment

Ein Junge spricht in ein Mikrofon

© dkjs

„Selbstermächtigung heißt auch den Stuhl frei zu machen und anderen die Macht zu überlassen“, betonte Mohammed Jouni von Jugendliche ohne Grenzen am 21. September in Berlin und die rund 120 Teilnehmenden der Auftaktveranstaltung des Programms Gemeinsam Mittendrin Gestalten stimmten applaudierend zu. Wie gelingt echte Beteiligung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Veranstaltung und tut dies auch weiterführend im Programm. Der Einladung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Bertelsmann Stiftung waren junge Geflüchtete gefolgt, genauso wie Akteurinnen und Akteure der Fachöffentlichkeit aus Selbstorganisationen, kommunaler Verwaltung, Politik und Jugendhilfepraxis.

Das Schicksal in die Hand nehmen können

Im Gespräch mit Mekonnen Mesghena von der Heinrich-Böll-Stiftung, eröffnete der 17-jährige Mufed Tapany die Veranstaltung: „Als ich nach Deutschland kam, war ich überwältigt von den vielen Eindrücken, aber ich habe mein Ziel nie aus den Augen verloren und bin Schritt für Schritt nach vorne gegangen“. Doch dieser Weg gelingt nur, wenn man sich auf andere Menschen verlassen kann, die einen bestärken. Davon berichtete auch Sinthujan Varatharajah, dessen Eltern in den 80er Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, in seiner Keynote und sprach damit vielen Anwesenden aus der Seele: „In dem Aufeinandertreffen von damals geflüchteten Menschen und heute geflüchteten Menschen steckt ein Akt der Selbstermächtigung, der ein Potential beinhaltet, das oft unerforscht bleibt.“

In dem nachfolgenden Podiumsgespräch nutzte Jouni die Plattform, um auf den Unterschied zwischen scheinbarer Partizipation und echter Beteiligung hinzuweisen. Im Gespräch mit Vertretungen von UNHCR, dem Kinder- und Jugendhaus Weißenfels, dem Theater X und dem Jugendamt Trier sagte er: „Selbstermächtigung heißt nicht Geflüchtete nur einzuladen oder sie auf einem Flyer abzubilden, um zu sagen: ,Sie waren dabei.‘“. Immer wieder wurde auf dem Podium daran erinnert, dass laut UN-Kinderrechtskonvention Kinder und Jugendliche ein Recht auf Mitbestimmung und Partizipation haben.

Zukunftsperspektiven in Zeiten von Unsicherheit

Während der offenen Fragerunde äußerten viele der anwesenden Jugendlichen ihre Sorgen vor dem, was die Zukunft bringt.  Auch Lubna, eine Pädagogin aus Weißenfels stellte angesichts des unsicheren Aufenthaltsstatus vieler Jugendlicher in den Raum: „Was sollen wir noch machen? Wir haben alles gemacht. Wir haben die Sprache gelernt, uns integriert, wir haben alles gemacht. Was sollen wir noch machen?" Einer der wenigen, die sich trauten zu antworten, war der 17-jährige Mufed mit seinen Worten „Don’t give up!“ Mouhammed Jouni pflichtete ihm bei und rief die Jugendlichen dazu auf, Personen, die über ihre Schicksale entscheiden, direkt zu adressieren: „Go to the people and tell them your story“.  

Damit in Zukunft nicht mehr über sie, sondern mit ihnen entschieden wird, erprobt das Programm Gemeinsam Mittendrin Gestalten – Geflüchtete Jugendliche stärken nun Konzepte und Methoden zur Beteiligung von geflüchteten Jugendlichen im Alter von 14 bis 27 Jahren zu und entwickelt diese weiter. Durch konkrete Projekte an den Modellstandorten Offenbach, Trier und Weißenfels werden junge Menschen mit Fluchtgeschichte befähigt, an sie betreffenden Verfahren und Entscheidungen kompetent und aktiv mitzuwirken sowie selbst Initiative zu ergreifen.