20.11.2020 · Aktuelles

Tag der Kinderrechte – Kindeswillen ernst nehmen

© dkjs/M. Heller

Heute ist der Internationale Tag der Kinderrechte. An diesem Tag würdigen wir die Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention vor über 30 Jahren. Ein Dokument, das die ganz eigenen Bedürfnisse und Interessen der Kinder betont. Was bedeutet dies für den Kita-Alltag? Wie können Räume für Kinder geschaffen werden, in denen sie ihre Rechte wahrnehmen können?

Was sind die UN-Kinderrechte?

Dass es die UN-Kinderrechte überhaupt in einer schriftlich festgelegten Form gibt, dafür haben die Vereinten Nationen (United Nations/UN) gesorgt: 1989 beschlossen die UN-Vertreterinnen und -Vertreter nach 10-jähriger gemeinsamer Arbeit die Kinderrechtskonvention. Ein Dokument, das die ganz eigenen Bedürfnisse und Interessen der Kinder betont. Zum Beispiel das Recht auf Freizeit, das Recht auf Bildung oder auch das Recht auf Schutz vor Gewalt. 

Dieses Kinderrechte-Regelwerk gilt für alle Kinder weltweit – ganz gleich, wo sie leben, welche Hautfarbe oder Religion sie haben und welchem Geschlecht sie sich zuordnen. Denn alle Kinder brauchen besonderen Schutz und Fürsorge, um sich gesund zu entwickeln und sich voll entfalten zu können. Ihnen genau diesen Schutz zu geben, darum geht es in der Kinderrechtskonvention. In 54 Artikeln werden die Rechte von Kindern detailliert beschrieben. Wir widmen uns in diesem Beitrag besonders dem Artikel 12 der Kinderrechtskonvention, der die Beteiligung von Kindern, in einer dem Alter angemessene Mitsprache fordert.

Artikel 12 Pflicht zur Beteiligung

Beteiligung ist kein freiwilliges Angebot, das Erwachsene Kindern nach Lust und Laune angedeihen lassen können. Das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII), Landesgesetze, die Bildungspläne der Länder und auch die UN-Kinderrechtskonvention im Artikel 12 legen fest: Kinder bestimmen mit! Der Artikel 12 regelt, dass der Wille eines Kindes durch angemessene Mitsprache zu berücksichtigen ist. Kinder haben des Weiteren das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 13). Mit dieser Pflicht, Kindern Mitbestimmung zu ermöglichen, ist verbunden, Kinder über ihre Rechte aufzuklären und ihnen Räume zu eröffnen, in denen Kinder ihre Rechte anwenden, ausprobieren und umsetzen können. Und noch weitergehend ermöglicht das SGB VIII Kindern die Möglichkeit auf Beschwerde auch und gerade über Erwachsene und Fachkräfte. Auch hier besteht die Pflicht für Erwachsene, diese Möglichkeitsräume Kindern zu eröffnen.

Kinder wollen sich beteiligen

Die von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) beauftragte Studie „Qualität aus Kindersicht“ zeigt, wie wichtig es Kindern ist, Entscheidungen über ihren Alltag selbst treffen zu können. Kinder legen großen Wert darauf, in ihren Selbstbestimmungsrechten ernstgenommen und anerkannt zu werden. Sie möchten frei entscheiden können, welche Angebote sie annehmen und wie sie sich dann konkret beteiligen. Kinder erleben und gestalten mit großer Begeisterung Situationen, die ihnen die Möglichkeit bieten, ihr Können auszuprobieren, zu üben und sich zu messen – allein, innerhalb der Peergroup oder im Kontakt mit Erwachsenen. Das fördert die Selbstwirksamkeit und stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Zum anderen wird in der Studie deutlich, dass Kinder gern Gemeinschaft und Zusammenhalt erleben, sie schätzen wiederkehrende, gemeinschaftsbildende und -sichernde Rituale. Sie möchten gern an deren Ausgestaltung mitwirken und selbst entscheiden, wie und in welcher Form sie sich daran beteiligen, z.B. welches Lied gesungen wird und ob sie es mitsingen oder nicht.

Demokratie und Beteiligung im pädagogischen Alltag

Pädagogen und Pädagoginnen sind oft unsicher, wie Partizipation und Beteiligung von Kindern im Alltag aussehen können: Was kann ich Kindern zutrauen? Wie kann ich Kinder dabei unterstützen, sich in andere hineinzuversetzen, kooperativ zu sein? Wie unterstütze ich Kinder dabei, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und Selbstwirksamkeit zu erfahren? Wie kann ich mit Konflikten umgehen? Wieviel Beteiligung von Kindern darf und kann ich zulassen?

Das Recht auf Beteiligung darf keine Frage des Alters sein. Die frühe Kindheit ist eine intensive Lern- und Entwicklungszeit, auch in Sachen Demokratielernen. Dabei findet Demokratieerfahrung im Kindesalter im Alltag statt. Kinder brauchen früh die Erfahrungen von Anerkennung, Teilhabe und Mitbestimmung, konstruktiver Streitkultur, das Erleben eines interkulturellen und toleranten Miteinanders. Die Erfahrung, dass Kinder etwas zu sagen haben sowie ein gleichberechtigter Umgang und soziale Wertschätzung sind die Basis, um in autonomer und vielfältiger Weise auch zukünftig an demokratischen Prozessen zu partizipieren.

Die pädagogische Herausforderung Beteiligung zu (er-)leben ist umso größer, je jünger die Kinder sind. Kinder erwerben demokratische Handlungskompetenzen, indem sie (Be-)Achtung erfahren und ihrem Entwicklungsstand entsprechend an der Gestaltung ihres Alltags beteiligt werden. So können Kinder schon früh selbst entscheiden, was und wieviel sie essen möchten, wo und mit wem sie spielen wollen. Später kommen unter anderem Entscheidungen über den pädagogischen Alltag (z.B. gemeinsames Erarbeiten von Regeln, Gestaltung von Räumen), aber auch die Planung von Projekten und Ausflügen hinzu.

Die Rolle der Erwachsenen

Beteiligung braucht Erwachsene, die sich auf das Demokratie-Erleben mit Kindern einlassen. Durch kollegialen fachlichen Austausch aber auch in der Diskussion mit Eltern zu Fragen der Mitbestimmung und Partizipation von Kindern erhalten die Erwachsenen die Chance, ihre persönliche Haltung zu reflektieren und durch mehr Beteiligung den pädagogischen Alltag zu bereichern. Damit Kindertageseinrichtungen Lern- und Lebensorte der Demokratie und Beteiligung werden, braucht es zuerst verantwortliche Erwachsene. Es braucht die Achtung gegenüber Kindern, Kompetenzen die Themen der Kinder zu erfassen, die Fähigkeiten den pädagogischen Alltag so zu gestalten, dass dieser sich am Entwicklungsstand der Kinder orientiert. Es braucht Erwachsene, die bereit sind, Macht abzugeben und immer wieder ihre eigene Rolle reflektieren. Und zu guter Letzt braucht es Mut und Geduld, in kleinen Schritten mehr Beteiligung in den Kindertageseinrichtungen zu leben und dabei Neues zu wagen und aus Fehlern zu lernen.