05.07.2017 · Aktuelles

Staffelstab-Übergabe am Spielfeldrand

© dkjs/B. Bernat

v.l.n.r.: Daniela Schadt, ehemalige Schirmherrin seit 2012; Elke Büdenbender, neue Schirmherrin; Dr. Heike Kahl, DKJS-Geschäftsführerin

© dkjs/B. Bernat

Das Turnier auf dem Spielfeld nebenan ist in vollem Gange, Elke Büdenbender fühlt sich sichtlich wohl. „Mein Vater und meine Brüder haben auch alle Fußball gespielt. Das Setting ist mir total vertraut“, erzählt sie lachend, „es regnet, und alle haben Spaß.“ Die heraufziehende Gewitterfront hat alle Anwesenden unter dem kleinen Pavillon zusammenrücken lassen; und so findet der feierliche Anlass in gemütlich-gelöster Atmosphäre statt, auf Bierbänken am Spielfeldrand der Sportschule des Landessportbundes Berlin e.V. Elke Büdenbender ist „neugierig auf das Programm“. Daniela Schadt, ihre Vorgängerin im Amt, hatte in den 5 Jahren ihrer Amtszeit mehrfach Gelegenheit, sich von Willkommen im Fußball ein Bild zu machen. Ihr Fazit: „Es muss nicht immer eine Organisation alles alleine stemmen. Hier tun sich verschiedene Akteure zusammen. Die einen haben das Geld, und die anderen das Know-How. Das ist eine Form der Kooperation, die auch in anderen Bereichen viel öfter umgesetzt werden sollte.“

Heike Kahl, Geschäftsführerin der DKJS, sieht vor allem in der Qualität dieser Zusammenarbeit ein besonderes Merkmal des Programms. „Kooperation ist ja oft eher Mythos als Wahrheit“, räumt sie ein. „Was bei ‚Willkommen im Fußball’ besonders gut gelingt, sind die Aushandlungs- und Reflexionsprozess zwischen sehr unterschiedlichen Partnern.“ Stefan Kiefer, Vorstandsvorsitzender der DFL-Stiftung, nickt zustimmend und fügt hinzu: „Wir spielen mit der DKJS hervorragenden Doppelpass!“

Auch die Akteure sitzen mit in der Runde. Tobias Flierl vom FSV Mainz 05 spricht stellvertretend für alle 24 Proficlubs, die sich bundesweit in den Bündnissen für junge Geflüchtete engagieren: „Als Bundesligist haben wir Strahlkraft, und die wollen wir auch nutzen.“ Für Max Pfeifer, 16 Jahre alt, Mannschaftsführer und Torwart, war das tatsächlich mit ein Grund, beim FC Ente Bagdad Fußball zu spielen. Aber beileibe nicht der einzige: „So ein internationales Team, das macht Spaß.“ Shahram Rezai, 18 Jahre alt, Verteidiger, ist einer von 24 Geflüchteten in der A-Jugend von Ente Bagdad. Zwei mal die Woche wird trainiert, am Wochenende finden Spiele statt. „Ich liebe Fußball“, erzählt er, „ich spiele, wann immer ich kann.“ Shahram ist vor 10 Monaten aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Momentan holt er an einer Berufsschule seinen Schulabschluss nach, zwei Praktika hat er schon gemacht. Er möchte Tischler werden. Auch und gerade bei Wegen in den Beruf unterstützt Willkommen im Fußball: Die Bündnisse sollen Trainingsangebote, aber auch Weiterbildung und Beratung für die jungen Geflüchteten ermöglichen. Deutsch lernt Shahram er am liebsten auf dem Rasen, mit Max und den fünf anderen einheimischen Spielern. „Wir machen auch Ausflüge und feiern zusammen“, erzählt er.

Ronald Uhlich, ehrenamtlicher Trainer und Betreuer bei FC Ente Bagdad, fühlt sich durch das Bündnis mit dem Proficlub und der DKJS in seiner Arbeit gut unterstützt. Für die ehrenamtlichen Trainer ist die besondere Situation ihrer Schützlinge bisweilen eine große Herausforderung: Wie trainiert man eine Gruppe, die nie pünktlich beginnt und in der ständig die Spieler wechseln? Wie geht man mit unterschiedlichen Leistungsniveaus, heftigen Emotionen und Traumata um? Damit die Ehrenamtlichen mit solchen Fragen nicht alleine sind, gibt es die Netzwerktreffen der DKJS. „Das war toll“, schwärmt Uhlich, „da konnte man wirklich mal die Knackpunkte benennen und sich zu schwierigen Themen austauschen. Das hat mir sehr geholfen.“ Dass seine Jungs in letzter Zeit jedes Spiel verlieren, macht ihm keinen Kummer. „Die Ente schwimmt immer oben“, sagt er und grinst. „Ich bin glücklich, wenn meine Spieler Freundschaften schließen, das ist das Wichtigste.“

„Wo sind eigentlich bei euch die Mädchen?“ – „Die sind nicht unser Kerngeschäft“, kontert Trainer Uhlich fröhlich, die ganze Runde lacht. Aber Elke Büdenbender hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Tatsächlich arbeiten bislang nur 4 der 24 Bündnisse auch mit geflüchteten Mädchen. Willkommen im Fußball will deshalb im Jahr 2018 einen besonderen Schwerpunkt darauf legen, die Bündnisse auch für Mädchen weiter  zu öffnen und attraktiv zu machen.

Ein Sprachrohr für gute Nachrichten

Wie auf Bestellung tönen vom Spielfeld Piffe und Schlachtrufe – es wird Zeit für den offiziellen Staatsakt. Daniela Schadt, die, so Heike Kahl, „das Amt der Schirmherrschaft in die Champions League geholt hat“, übergibt an ihre Nachfolgerin ein goldenes Megafon. „Dies ist wirklich ein Sprachrohr der guten Nachrichten“, sagt Frau Schadt, „denn die DKJS macht wirklich hervorragende Arbeit. Es ist toll zu sehen, welches Potential da bei Kindern und Jugendlichen freigesetzt wird. Ich habe diese Schirmherrschaft von Herzen gerne innegehabt.“

Elke Büdenbender scheint sich auf ihr neues Amt zu freuen. „Die DKJS macht genau das, was wir brauchen: Sie betont die Stärken. Kinder, die wissen, was sie können, haben später auch Erfolg.“ Das Thema „Wege in den Beruf“ sei ihr ein großes Anliegen. „Ich finde, das ist die wichtigste Weichenstellung, die wir leisten können.“

Die heutige Juristin war in ihrer Familie das erste Kind, das an die Uni ging. „Ich habe zunächst eine Berufsausbildung gemacht und dann später erst studiert. Weil ich Menschen kennengelernt habe, die das auch getan haben. Ich dachte: ‚Hey, das will ich auch!’ Man darf nicht unterschätzen, was es heißt, Menschen zusammenzubringen.“ Auch dem Thema Berufsorientierung will sich das Programm Willkommen im Fußball im Jahr 2018 verstärkt widmen.

„Eins-zwei-drei-Berliiiiiin“ – 16 Mannschaften auf ein großes Gruppenbild zu bekommen ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Das Turnier ist beendet, es verlief fair, die Jungs sind bester Laune. Die meisten von ihnen waren das erste Mal in in der Hauptstadt; sie haben ein Wochenende voller Workshops, Party und Stadtbesichtigung hinter sich. Unter Pfeifen und Johlen treten die ehemalige und die aktuelle First Lady auf die Tribüne, um die Spieler zu ehren. Daniela Schadt verteilt Medaillen, Elke Büdenbender die Pokale. Der einsetzende Regen ist Sharahm Rezai vom Mainzer FC Ente Bagdad völlig egal. Er strahlt übers ganze Gesicht und jubelt. Sharahm steht mit seiner Mannschaft am Parkplatz und macht High Five, als die Limousine für Frau Büdenbender vorfährt. Beim Einsteigen streckt sie nochmal den Kopf aus der Tür: „Tschüs Jungs, macht’s gut!“