12.09.2023 · Aktuelles / Sachsen

Schüler:innenmitwirkung und Barrierefreiheit

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Matthias, du leitest das Programm Mitwirkung mit Wirkung. Was steckt dahinter?

Matthias Labisch: Mit dem Programm wollen wir Schüler:innenmitwirkung an sächsischen Schulen stärken. Wir finden, dass eine demokratische Schule von allen mitgestaltet werden sollte, die dort täglich lernen und arbeiten. Damit das gelingt, bieten wir kostenfreie Fortbildungen für Schülervertretungen (SV) und SV-Begleitungen an. Das besondere an unseren Seminaren für Schüler:innenräte ist der Peer-to-Peer-Ansatz. Das heißt, Jugendliche leiten die Angebote für Jugendliche.

Warum ist Schüler:innenmitwirkung wichtig?

ML: Beteiligung ist ein grundlegendes Kinderrecht, und das gilt natürlich auch in Bildungseinrichtungen. Wenn Kinder und Jugendliche diese Orte aktiv mitgestalten, wird ihre Schule zu einem lebendigen Bildungsort, an dem Lernen Freude macht. Sie erleben, wie gesellschaftliche Teilhabe im Alltag funktionieren kann. Eine positive Beteiligungserfahrung stärkt so auch das Demokratieverständnis junger Menschen.

Wie wirkt Mitwirkung mit Wirkung für Schüler:Innen? 

ML: Wer sich als Klassensprecher:in an seiner oder ihrer Schule engagiert, erhält durch unser Programm Inspiration und Know-how für eine starke Schülervertretung. Die Fortbildungen werden von Jugendlichen durchgeführt, die selbst in der Schüler:innenmitwirkung aktiv sind. So kann man voneinander lernen und erlebt gleichaltrige Vorbilder. Das hat einen unglaublich motivierenden Effekt. Parallel stärken wir pädagogische Fachkräfte in ihrer Rolle als SV-Begleitung. Die größte Wirkung beobachtet man übrigens, wenn auch die Schulleitung fit in diesem Thema ist und die Mitwirkungsstrukturen an ihrer Schule fördert. In Fortbildungen für Schulleitungen bieten wir deshalb Wissensvermittlung und kollegialen Austausch an.

Was treibt die Erwachsenen zum Thema um?

ML: Lehrer:innen und Schulleitungen, die an unseren Fortbildungen teilnehmen, sind meist überzeugt, dass Beteiligung im Schulalltag wichtig ist. Sie schildern uns dann die Herausforderungen, junge Menschen zur Schüler:innenmitwirkung zu motivieren. Unserer Beobachtung nach fehlt es meist an Know-how und Wissen zu niedrigschwelligen Beteiligungsmethoden. Manchmal ist auch unklar, wo überall Potenzial für Beteiligung an einer Schule liegt. Hier erleben wir im Programm eine unglaubliche Stärke im kollegialen Austausch. Die Schulleitungen und pädagogischen Fachkräfte berichten von ihren kleinen und großen Beteiligungsprojekten. Diese Vielfalt an Möglichkeiten inspiriert. Darüber hinaus geben wir Anregungen mit unseren Arbeitsmaterialen.

Ist dieser Aufgabenbereich, insbesondere in Zeiten von Fachkräftemangel, denn nicht noch eine weitere Belastung für die Schulen?

ML: Auch uns begegnet das Thema verbunden mit knappen Zeitressourcen in unseren Fortbildungen. Und ja: Eine aktive Schüler:innenmitwirkung an der eigenen Schule aufzubauen, braucht Zeit und Energie. Jedoch berichten uns die Schulen, die sich dahin auf den Weg gemacht haben, von sehr positiven und entlastenden Erfahrungen. Eine aktive Schülerschaft kann bei Problemlösungen mitwirken oder bei Formaten über den Unterricht hinaus wie Schulfesten und Projektwochen. 

Welchen Einfluss haben Förderbedarfe auf Beteiligungsmöglichkeiten?

ML: Zunächst müssen wir feststellen, dass die Förderbedarfe recht unterschiedlich sind. Schüler:innen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen können eigentlich genauso mitwirken wie andere ohne Einschränkung. Hier sind es eher kleinere organisatorische Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Ist der Fahrdienst z.B. so abgesichert, dass an Sitzungen des Schülerrates oder der Schulkonferenz teilgenommen werden kann.

Anders sieht es bei Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung aus. Hier braucht es pädagogische Fachkräfte mit einer beteiligungsorientierten Grundhaltung und Know-how für niedrigschwellige Beteiligungsprozesse. Auch das passende Arbeitsmaterial ist hilfreich. Im Programm arbeiten wir gerade an einer Schüler:innenfibel in einfacher Sprache, um auch diesen Kindern und Jugendlichen Beteiligung möglich zu machen.  

Damit Schüler:innenmitwirkung an Schulen mit Förderschwerpunkten gelingt, braucht es fitte Schülervertretungen und SV-Begleitungen.

Was plant ihr langfristig hinsichtlich Barrierefreiheit und Schüler:innenmitwirkung?

ML: Wir wollen unsere Angebote barriereärmer gestalten. Dazu finden zum einen Schulungen für unsere jugendlichen Peers statt und zum anderen werden unsere Angebote inklusiver. Zum Beispiel haben wir ein Seminarkonzept mit Methoden für Schulen mit Förderschwerpunkt erarbeitet. Wenn Ende des Jahres die Schüler*innenfibel in einfacher Sprache erscheint, erhalten damit mehr junge Menschen Zugang zu den Grundlagen der Schüler:innenmitwirkung. Interessierte pädagogische Fachkräfte unterstützen wir mit gezielten Fortbildungen.

Welche konkreten Angebote und Veranstaltungen kann man bei euch buchen?

ML: Am 28. Mai 2024 bieten wir in Bautzen für SV-Begleitungen eine sechsstündige Fortbildung zur Stärkung der Schüler:innenmitwirkung an Förderschulen an. Für Schüler:innenräte kann eine kostenfreie Fortbildung direkt an die eigene Schule bei uns bestellt werden. Dreimal im Jahr gibt es den digitalen Stammtisch zur Schüler:innenmitwirkung. Er ist sowohl für Schüler:innenvertretungen als auch für SV-Begleitungen geöffnet.

Und die Handreichung „Fibel für Vertrauenslehrkräfte“ bietet einen ersten schnellen Überblick über die Aufgaben und Möglichkeiten einer SV-Begleitung.  Ende des Jahres wird , wie schon erwähnt, unsere Handreichung „Schüler*innenfibel“, das Nachschlagewerk für alle Schülervertretungen in einfacher Sprache erscheinen.

Vielen Dank, Matthias. 


Mitwirkung mit Wirkung – Das Programm zur sächsischen Schüler:innenmitwirkung

Das Programm Mitwirkung mit Wirkung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in Sachsen zielt auf die Stärkung einer demokratischen Schulkultur durch verschiedene Angebote ab. Neben der Qualifizierung und Beratung von Vertrauenslehrer:innen werden Schülerräte in kostenlosen Seminaren zu ihren Aufgaben und Rechten fortgebildet. Mitwirkung mit Wirkung wird in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und dem Landesamt für Schule und Bildung umgesetzt.