08.01.2016 · Aktuelles / Sachsen

"Qualität kann man nicht auslagern"

© dkjs/Grätz

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Es herrscht geschäftiges Treiben im Kinder- und Frauenzentrum des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus. Ärztinnen und Pfleger in weißen Kitteln sitzen in ihrer Pause am Kaffeetisch zusammen, Patientinnen und Patienten sind auf den Fluren des modernen Krankenhauses unterwegs. In einer Ecke ist ein großer Weihnachtsbaum aufgestellt worden. Eigentlich ein ganz normaler Tag im Dresdener Klinikum – wären da nicht die rund 70 Männer und Frauen, die in ordentlichen Stuhlreihen am Rande des Hauptflures sitzen.


Sie sind am 14. Dezember ins Krankenhaus gekommen um über Qualität in der frühen Bildung zu diskutieren. Wo liegen die Baustellen, wenn es um den Ausbau der Qualität in Kitas und Kindertagespflegestellen geht? Das will die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung mit dem neuen Programm Qualität vor Ort herausfinden. In Dresden findet heute der erste von insgesamt 50 Qualitätsdialogen in ganz Deutschland statt.

 
Und warum treffen sich Fachkräfte aus Kitas und Kindertagepflegestellen, Trägervertretungen und Politiker dafür in einem Klinikum? Ganz einfach – um sich von hohen Qualitätsansprüchen in einem ganz anderen Arbeitsfeld inspirieren zu lassen.

 
Dr. Maria Eberlein-Gonska ist seit mehr als 15 Jahren Qualitätsbeauftragte im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus. Gemeinsam mit ihrem Team sorgt sie dafür, dass Patienten die höchsten Standards erhalten. Zu Beginn der Veranstaltung gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit: „Die Qualität erreichen wir im Gesundheitswesen nur als Team. Jeder muss seine persönliche Verantwortung wahrnehmen. Qualität kann man nicht delegieren und auch nicht an eine zentrale Stelle auslagern.“ Die Parallele zur Qualität in der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung ist auf Anhieb klar. Schließlich sind die Teilnehmenden der Veranstaltung an diesem Tag zusammen gekommen, um sich persönlich für Qualitätsentwicklung einzusetzen. Auch die Aussage, Qualitätsmanagement müsse neben Erfolgen auch Missstände aufzeigen, aber gleichzeitig natürlich Verbesserungsvorschläge machen, trifft beim Publikum ins Schwarze.


Und diese Verbesserungsvorschläge sammeln die Teilnehmenden dann auch: An Dialogtischen diskutieren sie über die perfekte räumliche Gestaltung in Kitas, einen guten Personalschlüssel, hochwertige Erzieherinnen-Ausbildungen und viele weitere Themen. Auch wie man mit Kindern von Asylsuchenden in Kitas umgehen kann ist Thema der Gespräche.

 
Als Einstieg in das Fachthema ging den Gruppengesprächen eine Podiumsdiskussion voraus. Der MDR-Moderator Peter Escher leitete die Runde, an der Arnfried Schlosser aus dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, die Sozialbürgermeisterin von Dresden teilnahmen. Die Perspektive der Praxis brachten Maria Groß vom PARITÄTISCHEN Sachsen e.V. und Kitaleiterin Anni Mälzer ein. Sachsen hat mit dem Bildungsplan eine gute Grundlage geschaffen, auf deren Basis man die Kita-Qualität im Land vorantreiben könnte. Doch, so kritisiert die Trägervertreterin Maria Groß, leider fehlten vor Ort die strukturellen Rahmenbedingungen, um den Plan in die Tat umzusetzen. Die Kitaleiterin ergänzte zum Thema Personalschlüssel: Zwar seien die Erzieherinnen und Erzieher in ihrer Kita, wie in vielen Einrichtungen in Sachsen, motiviert und sehr engagiert, dennoch fehle es an Personalressourcen, um mittelbare und unmittelbare Arbeit am Kind durchgehend zu gewährleisten. Sie selbst ist zwar eigentlich für Leitungsaufgaben freigestellt, bei krankheitsbedingten Ausfällen ihrer Kolleginnen muss sie dennoch in den Kindergruppen aushelfen. Dr. Kristin Kaufmann lobte ebenfalls das Engagement der Fachkräfte vor Ort und betonte, dass die Stadt Dresden sehr gute Kitas habe. Dennoch gibt es immer etwas zu tun, wenn man das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt. Der vom Landesministerium gesandte Arnfried Schlosser zeigte sich positiv gegenüber dem Programm Qualität vor Ort und betonte den Nutzen von Dialogformaten: Nur wenn Kommune, Bund, Land und Praxis gemeinsam an den Baustellen in der frühen Bildung in Sachsen arbeiten, kann eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet stattfinden. Das Programm kann hier helfen, festgefahrene Strukturen zu lösen.


Zum Abschluss des Tages werden Forderungen und Wünsche der Teilnehmenden gesammelt: Was kann man noch verbessern, wenn es um beste Qualität für alle Kinder in Sachsen geht? Gemeinsam mit den Ergebnissen der 49 weiteren Qualitätsdialoge, die das Programm Qualität vor Ort im kommenden Jahr durchführt, werden diese Wünsche an das Bundesfamilienministerium übergeben. So finden die Meinungen der Teilnehmenden Gehör im politischen Prozess.

 
Das Programm Qualität vor Ort ist eine Gemeinschaftsaktion der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Jacobs Foundation. Es zielt darauf ab, die Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung zu unterstützen und das Zusammenspiel wichtiger regionaler Partner zu stärken – damit alle Kinder in Deutschland gleiche Chancen haben und ihre Fähigkeiten und Talente voll entfalten können.