27.11.2023 · Aktuelles / Berlin

Praxisimpulse zur Campusidee

© DKJS/M. Haase

Die Idee eines Bildungscampus gilt als Vorzeigeprojekt einer sozialräumlich gebauten Bildungslandschaft. Mit einem Campus sind viele Annahmen und Hoffnungen verbunden: Ausgehend von formalen Bildungssettings, in der Regel eine Schule, soll auf verdichtetem Raum eine Verzahnung zwischen formalen und nonformalen Bildungsangeboten geschaffen werden. Die Wege für die Schüler:innen sollen kurz sein und damit Übergänge im Tagesablauf, aber auch entlang der Bildungskette erleichtern. Im Idealfall gibt es eine hohe Identifikation bei den Schüler:innen mit dem Ort, die dazu anregt, den Vormittag wie den Nachmittag auf dem Campus zu verbringen und von der Kita bis zum Abschluss dort zu lernen. Diese Kontinuität, so die Annahme, wirkt sich positiv auf das Lernverhalten, die Entwicklung der schulischen Leistungen sowie die Sozialkompetenzen aus.

Der Campus verspricht aber auch kurze Kommunikationswege, die Kooperationen zwischen Einrichtungen ermöglichen und vereinfachen. Neue, offene Bildungsbauten und grüne Wegeverbindungen sollen dabei Hand in Hand mit neuen pädagogischen Konzepten gehen. Darüber hinaus sollen sie zur Aufwertung benachteiligter Quartiere und zu mehr Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit beitragen.

Welche Qualitäten machen einen Campus aus?

Im Rahmen des Modellprojekts Zukunftskieze wurden im Herbst 2022 Akteur:innen an vier Campi in Berlin interviewt. (Die Interviews führten Dr. Sebastian Niedlich, FU Berlin und die DKJS. Die Auswertung erfolgte durch Sebastian Niedlich.) Sie befinden sich in Großsiedlungen, am suburbanen Stadtrand und in der hochverdichteten Innenstadt. Sie unterscheiden sich stark in der Struktur der Akteur:innen, dem baulichen Zustand und in Bezug auf die Zielstellung. Befragt wurden u. a. Schulleitungen, Campusmanager:innen und Leitungen der ergänzenden Förderung und Betreuung (eFöB) zu Zielen und Visionen, Rahmen- und Gelingensbedingungen von Campusprojekten. 

Die Erwartungen an einen Campus und die damit verbundenen Ziele sind vielschichtig. Auf der normativen Ebene wurde u. a. als Ziele genannt, dass die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen sowie die soziale Integration verbessert werden, Bildungsbenachteiligung abgebaut und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden soll. Auf der strategischen Ebene werden die Ziele verfolgt, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Sorgeberechtigten aufzubauen, den Übergang zwischen Kita und Grundschule sowie die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu stärken, damit der Campus dazu beitragen kann, auf erfolgreiche Bildungsabschlüsse hinzuwirken.

Welche erfolgskritischen Faktoren lassen sich ableiten?

Die Entwicklung des Campus ist als fortlaufender Prozess zu verstehen, da Konzepte und Arbeitsweisen immer wieder überprüft und angepasst werden müssen („Lernender Campus“). Aus den Gesprächen mit den Campus-Akteur:innen lassen sich fünf erfolgskritische Faktoren und Handlungsempfehlungen ableiten. So braucht es u. a.:

  • Kooperationsstrukturen, die zwischen allen Beteiligten verbindlich gestaltet werden müssen, 
  • eine langfristige Koordination vor Ort, 
  • die gemeinsame Bereitschaft, sich als beständige Verantwortungsgemeinschaft zu verstehen, sich gemeinsam zu entwickeln und 
  • gleichzeitig der Campusentwicklung Zeit, Fehlertoleranz und natürlich personelle wie finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Garantiert ein gemeinsames Gelände schon den Erfolg?

Der Campus versteht sich als eine Form der gebauten Bildungslandschaft (vgl. Coelen, Hemmerich, Jestädt, Klepp, Million & Zinke 2022), die sich – rein physisch – durch ein gemeinsames Gelände unterschiedlicher Einrichtungen der formalen und nonformalen Bildung sowie Außenanlagen, etwa Spiel- und Sportplätzen, auszeichnet. Zentral ist dabei, dass der Raum für möglichst viele Zielgruppen zugänglich und physisch erfahrbar ist. Es lassen sich vier konkrete Qualitäten eines Campus festhalten, die auf die Arbeit vor Ort sowie die kommunale Bildungslandschaft Auswirkungen haben: 

  1. Qualität der Kooperation, 
  2. Mehrfachnutzung, 
  3. niedrigschwelliger Zugang zu Angeboten und 
  4.  hohe Symbolkraft nach außen.

Der gemeinsame bauliche Raum ist allerdings nicht der ausschließliche Gelingensfaktor für die Erreichung der benannten Ziele. Entscheidend ist, dass die Kommune die Voraussetzungen für Kooperation und abgestimmtes Handeln der Akteur:innen entlang der Bildungsbiografien schafft. Darüber hinaus symbolisieren Campus oder gebaute Bildungslandschaften gute Beispiele eines gelebten lokalen Bildungsmanagements und bieten damit viele Anknüpfungspunkte für Kooperation und gemeinsame, integrierte Strategien auf der lokalen und kommunalen Ebene.

Dieser Text ist eine gekürzte Version aus der Publikation „Zukunftskieze – Kooperation, Verantwortung, Gemeinschaft“, die Mitte Dezember 2023 im Rahmen des Modellprojektes Zukunftskieze, herausgegeben von der DKJS, erscheinen wird.

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF) fördert das Modellprojekt Zukunftskieze und setzt es in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) in Modellregionen um. Die DKJS verantwortet die kommunale/bezirkliche Beratung, Unterstützung und Prozessbegleitung.