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#OnlineAmLimit – Zum Safer Internet Day 2023

© DKJS/S. Rauch

Stefan Schönwetter setzt sich als DKJS-Experte für Digitale Bildung mit aktuellen Themen und Trends in der deutschen Bildungslandschaft auseinander. Anlässlich des Safer Internet Day 2023 wirft er einen Blick auf die Herausforderungen der deutschen Bildungslandschaft und erzählt, wie sich die DKJS für ein besseres und sichereres Internet für Kinder und Jugendliche einsetzt. Ein Kommentar:

Unter dem Motto #OnlineAmLimit lohnt sich ein Blick in die Bildungslandschaft: Die Jim-Studie zum Medienumgang zeigte vor Kurzem, dass die Internetnutzung der 12- bis 19-Jährigen auch im Jahr 2022 gesunken ist, nämlich auf 204 Minuten täglich. In zahlreichen Schulen gibt es Medienscouts oder Mediator:innen für die Bearbeitung von (Online-)Streitigkeiten oder bewusst verletzendem, gewaltvollem Handeln. Sexting – also Sex-Texting mit dem Smartphone – ist unter Schüler:innen weit verbreitet. Noch immer sind die Materialien von KlickSafe aus dem Jahr 2020 aktuell, die Landesanstalt für Medien NRW startete im letzten Jahr sogar eine neue Kampagne, weil die Grenzen zu Cybergrooming (Anbahnung sexuellen Missbrauchs über das Internet) und Jugendpornographie zunehmend verschwimmen. Man kann festhalten: Die Lage in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat sich nicht wesentlich verändert.  

Die Versprechen der Digitalisierung

Die größte Aufgabe liegt tatsächlich jedoch bei den professionellen erwachsenen Begleiter:innen von Schüler:innen. Die Versprechungen der Digitalisierung und des jüngsten KI-Booms suggerieren den Menschen, ihnen die komplexe Welt zu erklären: die Komplexität des Arbeitens, des Verstehens und des Lebens zu vereinfachen. ChatGPT wird als Zweitmeinung für die Bewertung von Klassenarbeiten zu Rate gezogen. KI-gesteuerte Algorithmen versorgen User:innen mit Nachrichten, die sie interessieren sollen. Software für die Administration von Bildungsangeboten (zum Beispiel von Tutory oder meinunterricht.de) nimmt Fachkräften ab, ihre Arbeit zu systematisieren.

Komplexitätsreduktion oder Entmündigung der Nutzer:innen? 

Der Preis dieses Komforts? Wir verkennen die Komplexität der Aufgaben. Zahlreiche Software-Dienstleister fokussieren sich mittlerweile darauf, User Interfaces so einfach und reduziert anzubieten, dass Nutzer:innen entmündigt werden, anstatt empowert aus der Nutzung von Systemen hervorzugehen. Man könnte diese Entmündigungen auch mit der Deprofessionalisierung der pädagogischen Praxis übersetzen. 

Nutzen und Profitinteressen digitaler Tools

Die Problemlagen sitzen aber tiefer, wenn man die Gefahren für Kinder und Jugendliche prüft. Eine Lehrkraft fragte mich vor Kurzem, ob ein bestimmtes cloudbasiertes Whiteboard Tool für den Einsatz im Klassenzimmer zu empfehlen sei. Es sei günstig und einfach in der Anwendung. Der gemeinsame Anblick der Software brachte über 800 Tracking-Systeme zum Vorschein. Diese protokollieren jede Aktion der Lehrkraft selbst, aber noch viel wichtiger, auch jede Aktion der Schüler:innen. Offensichtlich ist es nicht das Geschäftsmodell des Softwareanbieters, eine funktionierende Whiteboard Software zur Verfügung zu stellen, sondern die Daten, die mit dieser Plattform generiert werden, zu verkaufen.  

DIRECTIONS – Datenschutz und Empowerment 

Pädagogische Fachkräfte für die Komplexitäten der Kultur der Digitalität fit zu machen, ist eine der größten Aufgaben des Bildungssystems. Daher engagiert sich die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung auch im BMBF-Forschungsprogramm DIRECTIONS. Mit dem Ziel eine Datenschutzzertifizierung für den Bildungssektor zu entwickeln, setzt das Projekt auf den Austausch von Plattformanbietern und Bildungsmacher:innen. Entwickelt werden soll dabei kein Industrielabel, sondern ein empowerndes Unterstützungssystem für die Fachkräfte der Bildungsverwaltung und der pädagogischen Praxis. 

Die DKJS ist als assoziierte Partnerin und im Expertengremium von DIRECTIONS aktiv und bildet in dieser Rolle die Brücke zur Bildungspraxis. Ziel ist es, langfristig eine erhöhte Datenschutzsensibilisierung in einer Kultur der Digitalität zu schaffen. Gleichzeitig wird mit dem Projekt die Erstellung eines handhabbaren Rahmens angestrebt, der es den Fachkräften des Bildungssystems ermöglicht, zügig und einfach datenschutzkonforme Entscheidungen zu treffen. Somit wird auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung auch für Schüler:innen so früh wie möglich geachtet.