26.05.2021 · Aktuelles

In Zukunft integrierte Jugendhilfeplanung

© dkjs/A. Kolata

Wie lassen sich die Aufwachsbedingungen von Kindern und Jugendlichen verbessern? Wie gelingt mehr Jugendbeteiligung? Welche Rolle spielen dabei innovative Arbeitsweisen in der Verwaltung oder datenbasierte,sozialräumliche Strategieentwicklungen? Diesen Fragen ging die Initiative Kommune 360° letzte Woche beim 17. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag, Europas größter Jugendhilfegipfel,  im Fachkongress und am digitalen Messestand nach.

Dass eine wirkungsvolle Jugendhilfeplanung die Kooperation aller kommunalen Ressorts braucht und Jugendhilfe so zum Baustein der kommunalen Sozialplanung wird, diskutierten rund 100 Akteur:innen im „Werkstattgespräch Jugendhilfeplanung 2040“. Mehr aktive Beteiligung, fachübergreifende, agile Planungsprozesse, eine qualitative wie quantitative, vernetze Datenbasis sowie strategische Planungsansätze, so die weiteren Thesen, die diskutiert wurden.

Mit den Ansätzen integrierter Sozialplanung ließen sich auch Krisen vor Ort besser bewältigen und die Gestaltungsfähigkeit auf kommunaler Ebene stärken. Zur Ausschöpfung des vollen Potenzials der strategischen integrierten Sozialplanung seien präventive und langfristig gedachte Antworten und besonders das Zusammenspiel von Planung und Politik entscheidend, so Dr. Julia Nast, Kommune 360°, und Prof. Jörg Fischer, Institut für kommunale Planung und Entwicklung – Institut der FH Erfurt (IKPE) im Reflektionsgespräch „Corona - Krise als Katalysator. Jugend- und Sozialplanung als Innovation“.

Das Rathaus als Demokratieschule für Beteiligung

Beteiligung von Bürger:innen und kommunalen Akteur:innen ist unverzichtbarer Bestandteil integrierten Verwaltungshandelns, insbesondere wenn es um die Entscheidung und Planung bedarfs- und sozialraumgerechter Maßnahmen und Infrastruktur geht. Für Carsten Roeder, Leiter des Kinder- und Jugendbüros in Itzehoe, gehören drei Aspekte dazu: Entscheider:innen müssen Beteiligung ermöglichen und dann auch zulassen, das heißt, etwas von der eigenen Macht abgeben. Weiter solle Beteiligung ein dialogischer Prozess sein zwischen Entscheider:innen und den Kindern und Jugendlichen. Dieser gestalte sich mit repräsentativen Formaten wie einem Jugendparlament leichter als mit informellen Initiativen. Um junge Menschen zu beteiligen, müsse man sie auch erreichen, das heißt, sie dort treffen, wo sie sich aufhalten.

Da Jugendhilfeplanung eher abstrakt sei, gelte es, die Bedürfnisse von jungen Menschen in den planungsrelevanten Schritten zu berücksichtigen, die direkte Beteiligung müsse dann von den Fachkräften vor Ort kommen, so Dr. Peter Kühn, Sachgebietsleitung Jugendhilfeplanung Dresden. Beteiligung sei kein Selbstzweck, sondern müsse ernst gemeint sein und für Kinder und Jugendliche sichtbare Ergebnisse zeigen.

So ist Beteiligung weniger eine Frage von Methoden als die der Haltung, Partizipation und Zusammenarbeit wirklich zu wollen. Um Beteiligung zu starten, müsse man als Erstes die Verwaltung ins Boot holen: „Das Rathaus ist die Demokratieschule für eine Kommune“.

Perspektivwechsel: Planspiel zur kooperativen Jugendhilfeplanung

Jugendhilfeplanung erfolgt in einem Feld unterschiedlicher Interessen, fachlicher Hintergründe und Traditionen. Um die jeweiligen Positionen etwa von Bürgermeister:innen, Jugendamtsleiter:in oder Verwaltungskraft besser zu verstehen und langfristig einen Kulturwandel anzustoßen, entwickelt die Initiative Kommune 360° in Kooperation mit der Stadt Halle (Saale) und der Agentur planpolitik ein Planspiel, das genau hierfür neue Ansatzpunkte liefert und die Auseinandersetzung mit der Position der jeweils anderen ermöglicht.

Beim DJHT erprobten nun erstmals rund 70 Fachkräfte der Jugendhilfeplanung eine Pilotversion des Planspiels. Die Teilnehmenden versetzten sich in das Szenario der Klausurtagung eines Jugendhilfeausschusses einer fiktiven Kommune. In ihren unterschiedlichen Rollen erprobten die Teilnehmenden die Aushandlung von Interessenkonflikten, inhaltlichen Anliegen und unterschiedlichen Handlungslogiken. „Das Planspiel hilft, Dinge spielerisch zu begreifen und sich mit den Positionen und Interessen anderer auseinanderzusetzen“, so das Fazit der Teilnehmenden.

Deutlich wurden auch die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten für diese Methode, etwa in der Ausbildung von Jugendhilfeplanungsfachkräfte, um erfahrbar zu machen, wie komplex Aushandlungsprozesse sind, oder in der Arbeit des Jugendhilfeausschusses. Das Planspiel soll bis Ende des Jahres fertig entwickelt sein und kann von allen interessierten Akteur:innen genutzt werden.

Was tun gegen Innovationsstau? Neue Wege in Hamburgs Verwaltung

„Wir haben Innovationsstau und brauchen ein neues Arbeiten“, stellte die Hamburger Verwaltung fest, die wie viele Verwaltungen überaltert und zugleich vom Fachkräftemangel betroffen ist. Seit dem Herbst 2020 tragen gleich drei Hamburger Behörden – die Senatskanzlei mit dem Amt für Digitalisierung, das Zentrum für Aus- und Fortbildung und die Finanzbehörde mit dem Amt für Organisation – den internen Dienstleister Ideen.Werk.Stadt.

In mehrere Ideensprints haben die Akteur:innen neue Ideen für alte Probleme zusammengetragen und kleine Teams für die Umsetzung gebildet. Oft seien es dabei auch kleine Methoden oder Kniffe, die sie anwenden und die das Denken verändern, so Daniel Leppert und Viola Früchtenicht-Schöning von der Ideen.Werk.Stadt. Es helfe beispielsweise, Absurditäten deutlich zu machen (durch wie viele Hände geht ein Papier) oder transparent zu machen, was fehlt (wir treffen uns, um eine Entscheidung zu treffen, doch am Tisch hat niemand Entscheidungsbefugnis).

Die internen Anfragen an die Ideen.Werk.Stadt kommen von veränderungsbereiten Menschen, die die beiden als Allianz der Willigen beschreiben und von der sie sich wünschen: „Diese Allianz der Willigen muss wachsen und nach außen tragen“. Das ist die langfristige Idee – um so als große Verwaltung mit über 70.000 Angestellten Stück für Stück agiler und innovationsfreundlicher zu werden.

Die Initiative

Kommune 360° knüpft ein bundesweites Netzwerk von Akteuren aus kommunaler Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Initiative entwickelt Wege, wie Kommunen Kinder und ihre Familien noch besser unterstützen können. Der Fokus: Integrierte Planungs- und Koordinationsprozesse. Das Expert:innen-Team unterstützt die Initiative in der Entwicklung.

Die Auridis Stiftung, die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und die gemeinnützige PHINEO AG haben Kommune 360° ins Leben gerufen.