27.09.2021 · Aktuelles

Ganztagstrialog rund um Ganztagsschule und Pandemie

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Welche Möglichkeiten bieten Ganztagsschulen, um die Folgen der Pandemie aufzufangen? Vielfältige Antworten auf diese Frage bot die digitale Fachtagung „Ganztag – gemeinsam zukunftsorientiert“ vom 14. bis 16. September 2021. Beim sogenannten Ganztagstrialog kamen insgesamt rund 300 Teilnehmende aus Wissenschaft, Praxis und Steuerung zusammen. Die Veranstaltung war ein Angebot des Bundesnetzwerks Ganztag und der DKJS.

Poetischer Auftakt

Einen berührenden Auftakt machte Jesko Habert von den Kiezpoeten. Unter dem Titel „Weltraumtierärzte“ reimte er in sieben Minuten das Schulleben von Josef und Jerome – und zeigte damit zwei Bildungsbiografien, die von sozialer Herkunft geprägt sind. Der rhythmisierte Einstieg in die Veranstaltung verdeutlichte den Auftrag von Ganztagsschulen – auch und gerade in Zeiten der Pandemie: Mehr individuelle Förderung und Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen.

Die Perspektive der Wissenschaft

Am ersten Veranstaltungstag gab es drei Impulsvorträge von Wissenschaftler:innen zu den Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche sowie den Potenzialen im Ganztag. Prof. Kai Maaz, Direktor des DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation stellte heraus, worauf es ankommt: Basiskompetenzen und Selbstlernkompetenzen zu stärken, individuell zu fördern, außerunterrichtliche Bereiche besser nutzbar zu machen und Räume für Selbstentfaltung zu schaffen. Aus seiner Sicht braucht es ein klares Bekenntnis zum Abbau von Bildungsarmut und zur Reduktion von Bildungsungleichheiten – und eine Fortbildungsoffensive für die Gesamtheit des Personals.

Einen Professionalisierungsschub forderte auch Prof. Marianne Schüpbach von der Freien Universität Berlin. Gute Kooperation multiprofessioneller Teams an Ganztagsschulen ist eine große Herausforderung – und ein wichtiger Schlüssel für gute Qualität! Um das professionelle Handeln aller Beteiligten zu stärken, müsse künftig an der gemeinsamen Aus- und Weiterbildung angesetzt werden.

Prof. Karina Weichold von der Universität Jena betonte, dass der Fokus nun nicht nur auf Lerndefiziten, sondern auch auf den psychosozialen Folgen der Pandemie liegen sollte. Gerade Ganztagsschulen können diese Folgen in den Blick nehmen und Lebenskompetenzen fördern, damit Kinder und Jugendliche mit Herausforderungen und Unsicherheiten umgehen können.

Der Blick in die Praxis

Von der Wissenschaft in die Praxis: Am zweiten Veranstaltungstag zeigten Ganztagsschulen aus ganz Deutschland, welche Lösungen sie in der Pandemie gefunden haben, um Kinder und Jugendliche zu erreichen und zu unterstützen.

So stellte beispielsweise die Ganztagsgemeinschaftsschule Neunkirchen aus dem Saarland ihr Projekt „Wald trifft Schule“ vor, das Draußenpädagogik in der Pandemie ermöglicht hat. Das Georgius-Agricola-Gymnasium Glauchau aus Sachsen bot Einblicke, wie Schüler:innen in die Durchführung von Ganztagsangeboten zur individuellen Förderung einbezogen werden. Sie erhalten Schulungen und werden als Lehrkräfte bezeichnet – und unterstützen nun dabei, pandemiebedingte Lernbedarfe anzugehen. Andere Schulen zeigten unter anderem, wie mit Theater und eigenen Podcast-Produktionen ein kreatives Miteinander entstanden ist.

Gemeinsam Richtung Zukunft!

Am dritten Tag ging es insbesondere um die Zusammenarbeit der Institutionen in und nach der Pandemie. Prof. Falk Radisch von der Universität Rostock machte deutlich, dass in der Breite ein großer Bedarf an Unterstützung, Diagnostik, Koordination und Absprache erwächst. „Wir brauchen jetzt einen Plan, wie wir es in fünf Jahren haben wollen.

Prof. Ludger Pesch vom Pestalozzi-Fröbel-Haus machte sich dafür stark, dass bei der Ausgestaltung der Ganztagsangebote und der Kooperation von Schule und Jugendhilfe immer die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen müssen. Wenn Schule auch ein Lebensort sein soll, dann solten die Angebote so gestaltet sein, dass sich Kinder und Erwachsene dort wohlfühlen und miteinander leben, arbeiten und lernen können.

Insgesamt hat die Fachtagung gezeigt: Ganztagsangebote sind keine „Kompensationsmaschinen“. Doch gute Ganztagsschulen mit multiprofessionellen Teams, klaren Strukturen und außerschulischen Kooperationen sind Lebens- und Lernorte, an denen Kinder und Jugendliche individuell und zukunftsorientiert gefördert werden können. Die Schülerin Anna-Lena brachte es auf den Punkt: „Ganztagsschule ist ein wichtiger Ort – man ist miteinander, tauscht sich aus und erwirbt Kompetenzen fürs Leben. Wenn man den ganzen Tag miteinander verbringt, entsteht eine unglaubliche Energie!

Deutlich wurde aber auch, dass Ganztagsschule keine Verlängerung des Unterrichts sein darf“, resümiert Annekathrin Schmidt von der DKJS. „Und es braucht gerade vor dem Hintergrund des kommenden Rechtsanspruchs einen intensiveren Dialog zwischen Praxis, Wissenschaft, Verwaltung und Politik. Mit dem Ganztagstrialog haben wir einen Anfang gemacht.

Die Tagung wurde organisiert vom Bundesnetzwerk Ganztag – einem bundesweiten Netzwerk aus unterschiedlichen Akteur:innen, wie zum Beispiel den regionalen Serviceagenturen, die Ganztagsschulen in ihrer Qualitätsentwicklung begleiten. Kooperationspartnerin der Veranstaltung war die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).