10.12.2014 · Aktuelles / Berlin

„Frau Joost, was schauen Sie sich denn auf YouTube an?“

© dkjs

Die Jugendredaktion der Fachtagung "medial. vernetzt. aktiv." sprach mit der Internetbotschafterin Gesche Joost über ihren Job und ihren digitalen Alltag.


Frau Joost, Sie sind Designforscherin. Wie kommt man dazu, Internetbeauftragte und Digitaler Champion zu sein?

Gesche Joost: Ich wurde über ein paar Umwege von Peer Steinbrück während des Bundeswahlkampfs 2013 in sein Kompetenzteam berufen. Dort war ich die ‚Frau fürs Internet‘ und habe auch am Koalitionsvertrag mitgeschrieben. Als klar wurde, dass die Position des Digitalen Champions in Brüssel noch zu besetzen war, wurde ich gefragt. Ich bin hauptberuflich weiterhin ganz normal Professorin, drei-vier Mal im Jahr bin ich in Brüssel auf großen Treffen und versuche sonst digitale Themen in Deutschland gesellschaftspolitisch stärker zu verankern: Was ist die europäische Perspektive und was bedeutet vernetzte Digitale Gesellschaft?

Sie sind die erste Internetbeauftragte Deutschlands. Mussten Sie ganz neue Strukturen schaffen? Oder gab es im internationalen Vergleich etwas, worauf Sie sich stützen konnten? 

Genau, das ist eine ganz neue Position, ich konnte also auf keine vorhandenen Strukturen zurückgreifen. Und und auch die Ministerien waren ein bisschen so, „Oh, was machen wir denn jetzt mit der?“ Jetzt bin ich dem Wirtschaftsministerium angehängt, ich habe aber keine Geschäftsstelle und auch keine Mitarbeiter. Ich bin eher allein auf weiter Flur. Trotzdem wird medial wahrgenommen, dass so eine Position wichtig ist. Damit auch Botschaften über die Digitalisierung jenseits von Angstdebatten transportiert werden, indem man auch die Chancen definiert. Das ist etwas, das mir Spaß macht, das von meiner Arbeit inspiriert ist und das ich politisch rahme. Eine spannende Aufgabe!

Sie sind ein Digitaler Champion und kennen auch andere Internetbeauftragte und ihre Aufgaben. Gibt es Schwierigkeiten, die wirklich nur in Deutschland auftreten? 

Eines ist freies W-LAN. Offenes W-LAN am Flughafen ist in anderen europäischen Ländern gang und gäbe, in Deutschland wird das sehr restriktiv gehandhabt. Es gibt gerade den Versuch, die Rahmenbedingungen dafür ein bisschen zu lockern. Das zweite ist, digitale Kenntnisse und Programmierkenntnisse in der Schule zu vermitteln, da hinkt Deutschland im europäischen Vergleich deutlich hinterher. Zum Beispiel hat England gerade Programmieren in der Schule im Curriculum verankert. Es ist schade, dass es in Deutschland dazu keine Initiative gibt. Man ist ganz zurückhaltend und diskutiert erst einmal ob und wie digitale Kenntnisse vermittelt werden sollen. Und das in einem Land wie Deutschland, da war ich schon erstaunt, dass wir so wenig Drive hinter so einem wichtigen Thema haben.

Was schauen Sie sich auf YouTube an und welche Apps nutzen Sie am häufigsten? 

Auf YouTube… Tiervideos, na klar! Also Cat-Content ist ganz wichtig. Musikvideos eigentlich nicht, sondern eher Spaß. Und sonst gucke ich eher Podcasts, wenn es um Ted Talks oder so etwas geht, das würde ich nicht so YouTube-spezifisch sehen. YouTube ist nicht so mein Milieu, Twitter ist eher meins. Sonst nutze ich die Apps von Spiegel Online und der Tagesschau regelmäßig.

Und sind das auch Ihre Lieblings-Apps oder sind das nur die, die Sie wirklich am häufigsten nutzen? 

Twitter ist in meinem Alltag ein bisschen schizophren: Das ist so super schnell und man muss immer up to date sein. Wenn man die Diskussion gerade verpasst hat, dann ist eine Minute später schon spät. Das bedeutet Stress und ist extrem, aber beruflich brauche ich Twitter sowohl als Informationsmedium, als auch als Kommunikationskanal. Ich poste viele Statements oder wichtige URLs. Und Spiegel Online nutze ich, um im Informationsfluss zu sein. Insgesamt ist meine Mediennutzung sehr rational, das hat ganz wenig mit Freizeit zu tun. Auch Facebook mag ich eigentlich überhaupt nicht, das ist mir zu freizeitmäßig, und da möchte ich nicht meine privaten Sachen posten.

Nutzen Sie Facebook trotzdem? 

Ja. Aber eher pflichtbewusst. Threema nutze ich sehr häufig. Das ist dann auch privat und lustig, mit viel Bildanteil. Da gibt es nicht nur Katzen-Content, sondern auch Internetmemes.

Wie sieht der digitale Alltag einer Internetbotschafterin aus? i

Der erste Blick auf das Handy ist noch im Bett, und der letzte auch. Ich bin nie offline. Telefon nutze ich eigentlich kaum, das find ich so invasiv, „jetzt musst du rangehen“! Wenn ich über Textnachrichten, Twitter oder Mail kommuniziere, dann kann ich mir selbst einteilen, wann ich worauf reagiere. Und weil wir auf dem Land ein Haus haben, bin ich am Wochenende teilweise nicht erreichbar. Internet haben wir dort natürlich, aber Mobilfunk ist nur an einem Platz im Wald verfügbar. Es ist eigentlich ganz entspannt, wenn man „nur“ über das Internet erreichbar ist.

Das Interview führte Mina Mittertrainer. Die 22-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaften ist begeisterte Medienkonsumentin. Neben Büchern aller Art mag sie vor allem Fernsehen und Kino. Mit einer Gruppe von Kindern betreibt sie außerdem eine App-Redaktion, die jede Woche neue Rezensionen auf einem Blog veröffentlicht.