06.05.2015 · Aktuelles / Berlin

Flucht nach Europa

© dkjs

Das Team von Creative Bros. und Tarek Chalabi auf der Konferenz "Bilder Bilden" in Berlin

Drei Schüler aus Bremen haben einen Film über einen Schüler aus Syrien gedreht und auf YouTube gestellt. Jetzt sind sie für den CIVIS-Medienpreis nominiert, der am 7. Mai in Brüssel vergeben wird. Für die Veranstaltung „Bilder bilden“ kamen die von Think Big geförderten jungen Projektmacher nach Berlin und stellten ihre Arbeit vor.  

Jetzt den Film über Tarek auf youtube schauen

Tarek, jetzt 19, kam vor sieben Monaten allein nach Deutschland. Seine Eltern hatten für einen Bootsplatz viel Geld an Schlepper bezahlt. Als das Boot kurz vor Italien sank, konnten die Insassen nur in letzter Minute gerettet werden. Seit kurzem ist sein Flüchtlingsstatus anerkannt. Tareks Lieblingsfach ist Mathematik, weil es für Ingenieursausbildung wichtig ist, aber eigentlich mag er Sprachen lieber. Er hört gern Indi-Rock und Black Music, seine Lieblingsmusiker sind Imagine Dragons und Asap Rocky.

Paulo,18 Jahre, ist Schüler, macht demnächst sein Fachabitur und danach wahrscheinlich eine Ausbildung. Aber erst mal wünscht er sich ein Jahr Pause und viel Zeit, um mit seinen Freunden zu filmen. Bei Finn-Halvar erinnert nicht nur sein Name an einen Wikinger. Kameramann zu werden, ist sein Traum. Der 22jährige weiß, das wird nicht einfach und so macht erst einmal eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton.

Finn-Halvar, Paulo und Tarek stehen in der Sonne auf dem Balkon und blicken auf den Berliner Tiergarten und die Reichstagskuppeln. Im Raum nebenan lief gerade der Sechsminüter zu Tareks Flucht und seinem Ankommen in Deutschland. Später werden einige der Zuschauer zu den drei Jungen kommen und noch einmal sagen, wie sehr sie der Film und seine Geschichte bewegt haben. In unserem Interview erzählen die Jugendlichen, wie der Film entstanden ist.

Wie kam es zu eurem Film?

Finn-Halvar: Wir haben gemeinsam an einem Workshop von zwei Bremer Filmemachern und dem Bremer Jugendring teilgenommen, die Jugendliche an das Medium Film heranführen wollen. Dort habe ich dann Paulo kennengelernt und Miklas, der leider wegen der Abiprüfungen heute nicht mit dabei sein kann.

Warum habt Ihr das Thema Flüchtlinge gewählt?

Finn-Halvar: Wir wollten Menschen eine Stimme verleihen, die man ansonsten oft vergisst oder ignoriert. Relativ schnell war klar, dass wir die Geschichte von einem Flüchtling exemplarisch erzählen wollen.

Wie seid Ihr auf Tarek gestoßen?

Finn-Halvar: Eigentlich hatten wir dreieinhalb Wochen Zeit für den Dreh. Es war aber nicht einfach, jemanden zu finden, der bereit ist, über seine Flucht vor der Kamera zu erzählen. Und die meisten können ja kein Deutsch oder Englisch. Bis wir auf das Flüchtlingscafe der Initiative Help a Refugee in Bremen gestoßen sind. Da kommen jeden Mittwoch Flüchtlinge und Deutsche hin, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir sind hingefahren, ich hab Tarek als ersten dort angesprochen und er war gleich bereit für ein Interview. Dann haben Miklas und Paulo Tarek am nächsten Tag noch mal getroffen und das Gespräch geführt, wo Tarek schildert, was er erlebt hat.

Damit war der Film aber nicht fertig…?

Paulo: Tareks Interview haben wir erst einen Tag vor dem Schnittseminar gefilmt. Und wir mussten ja noch überlegen, wie wir die Geschichte visuell erzählen. Die Idee war, das Material, - aus Berlin, andere Interviews – das wir im Monat vorher gesammelt hatten, zusammenschneiden und damit das Interview zu unterlegen. Dann saßen wir mit 200 GB Filmmaterial im Schnittraum und haben gemerkt: Da wird kein Schuh draus. Bis elf Uhr abends haben wir gesichtet, sortiert und nach Ideen gesucht. Am nächsten Tag hab ich allein weitergemacht und dabei ist mir eingefallen, dass ich vor einer Weile eine Technik ausprobiert habe, die sich kinetische Typographie nennt. Also habe ich die Wörter aus Tareks Interview damit animiert. Damit es verständlicher wird  – Tarek spricht ja Englisch – sind die Icons noch dazu gekommen und wir haben begonnen, in Photoshop kleine Boote zurecht zu schneiden, die Deutschlandkarte, Tickets u.s.w.

Wobei hat euch die Förderung von Think Big geholfen?

Damit konnten wir Fahrtkosten und Transportkosten bezahlen.

Wie sah eure Arbeitsteilung aus?

Miklas Hoffmann, der dritte im Bunde bei uns hat hauptsächlich die Cliparts im Film gestaltet. Paulo hat die kinetische Typografie und ich habe die Drehorganisation gemacht. Gefilmt haben wir alle, nämlich fast immer mit drei Kameras aus drei verschiedenen Perspektiven.

Tarek hat sicher sehr viel mehr über sein Leben in Syrien und die Flucht berichtet, wie habt ihr ausgewählt?

Paulo: Das Interview war zwei Stunden lang. Als ich die durchgeguckt habe, ist mir dieser eine Satz aufgefallen: I do the best to be a successful man. Das war für mich ein ganz entscheidender Satz.

Wie weit bist du deinem Ziel schon gekommen? Wie sieht dein Alltag gerade aus?

Tarek: Jetzt gut. Ich habe gerade den Hauptschulabschluss bekommen. Jetzt möchte ich in der Erwachsenenbildung das Abitur machen. Ich hoffe, dass ich zugelassen werde.

Paulo: Seitdem wir den Film gemacht haben, probieren wir schon, ihn auf eine Schule zu bekommen und hoffen, dass es demnächst klappt.

Finn-Halvar: Paulos Familie ist in Kontakt mit Tarek und versucht, viel zu organisieren für ihn.

Womit verbringst Du die Wartezeit, Tarek?

Tarek: Ich spiele viel Fußball und mache einen Deutschkurs. Für die Erwachsenenbildung brauche ich Sprachniveau B1, dort wird alles auf Deutsch unterrichtet. Das würde mir jetzt noch schwerfallen.

Hast Du Nachrichten von deiner Familie?

Ja. Die Gegend, wo mein Vater ist, wird noch belagert. Meine Mutter ist in der Hauptstadt. Dort ist es nicht ganz so gefährlich, aber das Leben ist schwierig und sehr teuer, weil alles zerstört ist. Aber es geht ihnen gut.

Wenn das Filmteam am Donnerstag nach Brüssel fliegt, drücken wir die Daumen für die Preisverleihung. Tarek wird diesmal nicht dabei sein. Mit dem Status Flüchtling ist es schwierig, so kurzfristig ins Ausland zu reisen.


Tarek Chalabi – Flucht aus Syrien