13.12.2018 · Aktuelles / Berlin

Digitale Teilhabe heißt soziale Teilhabe

Ein Tablet wird in die Luft gehalten. Auf dem bildschirm sieht man die Bühne mit dem Tag der Bildung Logo.

© dkjs/J. Farys

Der 8. Dezember ist der Tag der Bildung, mit dem die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, der Stifterverband und die SOS-Kinderdörfer weltweit auf die aktuellen und zukunftsweisenden Themen im Bildungsbereich aufmerksam machen. Die DKJS-Programme OPENION – Bildung für eine starkeDemokratie, bildung.digital und Technovation nutzten diesen Anlass, um die Themen Digitalisierung und Demokratiebildung in den Fokus zu stellen. Am Abend des 6. Dezember wurde gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Praxis, Politik, Verwaltung und Partnerorganisationen in Berlin darüber diskutiert, wie die fortschreitende Digitalisierung die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen verändert und welche demokratischen Handlungskompetenzen sie benötigen, um mit Unsicherheiten im digitalen Zeitalter umzugehen.

Niemand ist ein Digital Native

Kinder und Jugendliche sind nicht automatisch mit den Kompetenzen und dem Wissen über den sicheren Umgang im Internet ausgestattet, nur weil sie im Zeitalter der Digitalisierung geboren wurden. Dies muss erlernt werden, erst dann kann man die Chancen der Digitalisierung wahrnehmen und die Teilhabe und Partizipation an gesellschaftlichen, demokratischen Entwicklungen erleben. Meike Otternberg vom Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) stellte zu Beginn der Veranstaltung in ihrer Keynote „Euphorie war gestern – ist Vertrauen im Internet noch möglich?“ die Ergebnisse der aktuellen Studie zur Nutzung und Einstellung von 14- bis 24-Jährigen zum Internet vor. Diese zeigt, dass Jugendliche unter 25 Jahren heute zwar täglich online sind und die digitale Welt fester Bestandteil ihrer Lebenswirklichkeit ist, die Unsicherheiten und negativen Einstellungen zur Nutzung des Internets jedoch zunehmen. Das Erstellen einer Instagram Story und Nutzen verschiedener Apps stellt für die Studienteilnehmenden keine Schwierigkeit dar – aber Fake-News, Fake-Profile und andere betrügerische Inhalte verunsichern junge Menschen. Aus Angst vor öffentlichen Beleidigungen und Beschimpfungen äußern sogar 38% der Befragten ihre Meinung im Netz nicht mehr. So werden sie zu passiven Beobachtern, statt Gestaltern eines Diskurses und ihrer eigenen Lebenswelt. „Es darf uns nicht egal sein, wenn junge Menschen in einem für sie enorm wichtigen Medium davor zurückschrecken, ihre Meinung zu äußern“ appelliert Meike Otternberg.

Digitale und demokratische Kompetenzen stärken

Moderiert von NDR-Journalistin Julia Niharika Sen diskutierten Helmut Holter (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Thüringen), Petra Caspers-Naujoks (Schulleiterin der Mittelpunktschule Hartenrod in Hessen), Meike Otternberg (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet) und Dr. Heike Kahl (Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) über Anforderungen der Demokratiebildung und Digitalisierung. „Schulen müssen Lern- und Lebensorte für Demokratie sein. Wir müssen sie dabei unterstützen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Stärkung der digitalen Ausstattung und Kompetenz ist eine davon“, so Helmut Holter, Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Von der Schule fühlen sich momentan 69 % der 14- bis 24-Jährigen nicht ausreichend auf die digitale Zukunft vorbereitet. Lernen finde überwiegend noch offline statt und digitale Bildung wird in der Wahrnehmung von Jugendlichen vor allem mit Informatikunterricht und PowerPoint-Kenntnissen gleichgesetzt. Ein Problem, das mit dem KMK-Beschluss „Strategie zur Bildung in der digitalen Welt“ angegangen werden soll. „Die Politik braucht Druck“ kommentiert Holter den zuvor an diesem Tag gestoppten Digitalpakt.

Auf die baldige Umsetzung und damit finanzielle Unterstützung für ihre Schule hofft auch Schulleiterin Petra Caspers-Naujoks. Die Mittelpunktschule Hartenrod nimmt bereits als eine von 40 Schulen am Programm bildung.digital teil, das Schulen dabei unterstützt, eigene Konzepte der digitalen Bildung zu entwickeln und zu verankern. Gemeinsam mit OPENION setzt die Grund-, Haupt- und Realschule mit Förderstufe außerdem ein Demokratieförderungsprojekt um. Für den Auf- und Ausbau eines Kinder- und Jugendparlaments mit der Stadt spielt auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen eine wichtige Rolle, eine methodisch zeitgemäße Demokratiebildung ist sonst nicht möglich. „Jugendliche beantworten mit digitalen Ansätzen ihre Fragen des Lebens“ so Caspers-Naujoks.

Das trifft auch auf die Schülerinnen der Ida Ehre Schule Hamburg zu, die an diesem Abend angereist waren. Sie nehmen am Programm Technovation teil, das weltweit bereits über 19.000 Mädchen dabei unterstützt, Ideen zu entwickeln, digitale Kompetenzen auszubauen und mit Hilfe von selbstentwickelten Apps, soziale und ökologische Herausforderungen ihrer Lebenswelt zu lösen.

Echte Beteiligung als Teil der Schulkultur

Wie lassen sich Demokratiebildung und Digitalisierung in der Praxis erfolgreich verbinden und welche Schritte müssen getan werden? Potential sahen die Anwesenden bei der Entwicklung der Schulkultur. Schulen müssen sich zu einem demokratisch(er)en Ort entwickelt werden, an dem Kinder und Jugendliche mehr Beteiligung erfahren. „Keine Scheinbeteiligung“ forderte Dr. Heike Kahl. Es hilft nicht, Kindern und Jugendlichen das Gefühl zu geben, dass sie entscheiden können, sondern sie müssen wirklich entscheiden dürfen – „und zwar mehr als die Farbe der Toilettentüren“. Ein höherer Grad an Mitbestimmung stellt auch neue Herausforderungen an die Schulen und ihre Mitarbeitenden, sie müssen gemeinschaftlich Bereitschaft zeigen, neue Wege zu gehen und sich selbst stärker der Digitalisierung öffnen. „Schließlich müssen wir die Kinder nicht auf unsere Vergangenheit, sondern auf ihre Zukunft vorbereiten“ so Caspers-Naujoks. Wechselseitiges Lernen und Kooperationen mit außerschulischen Partnern können dabei gute Unterstützung leisten und gemeinsam einen Pool an multiprofessionellem Wissen in diesen Bereichen aufbauen. Letztlich können jedoch auch die „Digital Immigrants“ etwas Wichtiges vermitteln, das sich zumindest die Teilnehmenden der DIVSI-Studie wünschten: Die Kompetenz auch mal digital abschalten zu können.

Eine Aufzeichnung der Keynote von Meike Otternberg sowie der Podiumsdiskussion finden Interessierte demnächst auf dem neuen OPENION-Themenportal unter www.openion.de/themenportal.