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Demokratiebildung in bewegten Zeiten

© DKJS/P. Kuchel

„Pandemie, Krieg, wachsender Rechtspopulismus, Fake News und Hate Speech – wir leben in bewegten Zeiten mit starken Herausforderungen“: Im Gespräch mit Peggy Eckert, Expertin für Demokratiebildung und Teilhabe, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).

Was bedeutet das für die Demokratiebildung von Kindern und Jugendlichen?

Peggy Eckert: Die Demokratiebildung ist gerade in Zeiten von Krisen unter Druck, das zeigt sich zum Beispiel darin, dass eingespielte Routinen und Formate zum größten Teil auf Eis liegen oder lange lagen. Der Fokus lag in den Pandemiejahren stark auf dem Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen, gleichzeitig wurde der Freizeitbereich – und damit andere wichtige Lernfelder – stark eingeschränkt. In den letzten Monaten konnte inzwischen vieles (wieder) initiieren werden. Mit Blick auf den Herbst und die zu erwartenden Einschränkungen durch die Pandemie, die Inflation und die Energiekrise müssen wir gemeinsam Lösungen finden und Formate entwickeln, die es auch in herausfordernden Zeiten möglich machen, dass Kinder und junge Menschen gehört und beteiligt werden und mitentscheiden können.

Neben der Teilhabe brauchen Kinder, Jugendlichen und junge Menschen aber auch einen sicheren, geschützten Rahmen, wo sie Informationen erhalten, Fragen stellen und ihre Sorgen jemanden anvertrauen können – hier sind die pädagogischen Fachkräfte in der Schule und im außerschulischen Rahmen wie der Jugendarbeit gefragt.

Was brauchen Kinder und Jugendliche, um Demokratie zu verstehen und zu erlernen?

Peggy Eckert: Junge Menschen brauchen in erster Linie Gelegenheiten, demokratische Prozesse zu erleben und sich auszuprobieren, und zwar ganz direkt in ihrem Alltag. 

Ein guter Weg ist es, sie an möglichst vielen Entscheidungen zu beteiligen, die sie betreffen. So lernen sie, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch zu vertreten. Bei konkreten Beteiligungsprojekten in ihrer Lebenswelt sind sie motiviert, weil sie sehen und erfahren, was sie selbst bewirken und bewegen können. Beteiligungsformate bilden außerdem wichtige Räume für den Austausch. Davon lebt unsere Demokratie. 

Welche Rolle spielen dabei Schulen?

Peggy Eckert: Schulen sind der (Lern-)Ort, wo junge Menschen einen großen Teil ihrer Zeit verbringen. Hier stehen Schulleitungen und Lehrkräfte vor der Herausforderung, ein Umfeld für Schülerinnen und Schüler zu gestalten, in dem ein gemeinsames, wertschätzendes Lernen alltäglich ist – unabhängig von Herkunft, Lebenssituation und Identität. Deshalb braucht es besonders hier Formen des demokratischen Miteinanders.

Schule ist auch ein hervorragender Weg, um wirklich alle zu erreichen, denn eine demokratische Gesellschaft sollte von allen mitgetragen und im besten Fall mitgestaltet werden. Schule bietet viele Anknüpfungsmöglichkeiten für demokratisches Handeln und Beteiligung: im Unterricht, im Schulleben und im Ganztag. 

Wie können pädagogische Fachkräfte Kindern Demokratiebildung und Teilhabe ermöglichen?

Peggy Eckert: An erster Stelle steht da aus meiner Sicht die Haltung: Wer Kindern und Jugendlichen offen und auf Augenhöhe begegnen kann und bereit ist, Entscheidungen abzugeben sowie neue Wege zu gehen, bringt die besten Grundlagen mit. Natürlich brauchte es auch Reflexion über die eigene Rolle sowie Fach- und Methodenwissen. Die Qualitätskriterien, die wir gerade im Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Jugendalter“entwickeln, zeigen, dass und wie besonders die Orientierung an der Lebenswelt junger Menschen eine geeignete Lernumgebung und richtige didaktische Begleitung zu einer guten Demokratiebildung beitragen.

Was kann eine Stiftung wie die DKJS leisten?

Peggy Eckert: Als DKJS haben wir nicht nur die Kinder und Jugendlichen im Blick, sondern auch pädagogische Fachkräfte in der Praxis, kommunale Akteur:innen sowie Vertretende der Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Mit diesem Ansatz auf mehreren Ebenen möchten wir möglichst nachhaltige Strukturen und Bedingungen für ein aktives, demokratisches Miteinander erreichen.

In unseren Programmen im Themenfeld der Demokratiebildung unterstützen wir beispielsweise die pädagogischen Fachkräfte in Kitas und Schule dabei, ihre Einrichtungen so weiterzuentwickeln, dass Kinder und Jugendliche ihre Lebenswelt mitgestalten und sich an Entscheidungen und Konfliktlösungen beteiligen können. Wir unterstützen Schulen, Akteur:innen der Kinder- und Jugendhilfe und Kommunen mithilfe von Beratungs- und Qualifizierungsangeboten, Veranstaltungen und Fachpublikationen bei der Umsetzung von Demokratiebildung im Alltag. Wir erproben neue Ansätze und zeigen gute Beispiele, die andere inspirieren und zum Nachahmen anregen. 

Außerdem stiften wir, wo immer möglich Kooperationen an, denn diese braucht es, um Demokratiebildung auf eine breite Basis zu stellen. Als zivilgesellschaftliche Akteurin können wir verschiedene Perspektiven an einen Tisch bringen und zwischen Wissenschaft, Praxis, Politik und Verwaltung vermitteln. Wir können wichtige Themen und Bedarfe identifizieren und Wissen transferieren. Und das ist vielleicht unser wichtigster Beitrag: Wir können Akteur:innen vernetzen und die Plattform für den Dialog und den Austausch bieten. Dadurch gelingt es, gemeinsam hemmende Rahmenbedingungen zu verändern.

Mehr Informationen, Publikationen und Tools der Demokratieprogramme der DKJS: www.dkjs.de/demokratie