06.11.2018 · Aktuelles / Berlin

Bilder aus Dichtung und Wahrheit

Atalia bei der Generalprobe

© dkjs/C. Paulussen

Atalia bei der Generalprobe

Nach mehreren Terminen und vierstündiger Wartezeit werden ein Vormund und seine Schützlinge zu ihrer Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde vorgelassen. Die Begegnung beginnt vielversprechend. Beamtin und Bewerber merken aber bald, dass sie völlig andere Vorstellungen von Achtung und Respekt haben. Eine Situation, die sich wirklich abgespielt haben könnte. Jedoch ist diese Szene eins von mehreren „Bildern aus Dichtung und Wahrheit“. Über 40 Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund verfassten gemeinsam das gleichnamige Stück und führten es am Freitag in Kreuzberg zum Ende der Herbstferien auf. Neben der Szene aus der Ausländerbehörde gab es weitere Theaterstücke und einen vielsprachigen Rap. Organisiert wurde die Aufführung von der gemeinnützigen Organisation PluralArts im Rahmen der Berliner Ferienschulen, einem Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) gefördert durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin.

Lieder singen und dabei neue Wörter lernen

Die Ferienschulen richten sich an zugewanderte und geflüchtete Kinder und Jugendliche, die über keine oder nur geringe Deutschkenntnisse verfügen. Ziel der Angebote ist es, jungen Geflüchteten die Chance zu geben, außerhalb des Regelunterrichts ihre Deutschkenntnisse weiter auf- und auszubauen. „In der Ferienschule habe ich mein Deutsch verbessert, aber ich hatte auch viel Spaß. Es war schön, Theater zu machen, Lieder einzustudieren und dadurch neue Wörter zu lernen“, sagt die 17-jährige Atalia, die die Rolle der Beamtin übernahm.

Träger der Jugendhilfe und gemeinnützige Organisationen, wie PluralArts in Neukölln, führen die berlinweiten Ferienschulangebote durch. Dabei steht die Freude am Lernen und der Bezug zur Lebenswelt der Kinder im Vordergrund. Junge Geflüchtete wie Atalia lernen über Musik, Tanz und Theater einen neuen Zugang zur Sprache kennen. Laut Todd Fletcher, dem Gründer und Direktor von PluralArts, hat dieser Ansatz Erfolg: „Es sind oft kleine Momente, die uns während der Ferienschulen besonders berühren: Atalia zum Beispiel, die sich zu Beginn kaum beteiligt hat, spielt ihre Hauptrolle nun mit Souveränität und lacht glücklich beim anschließenden lauten Applaus. Das Projekt hat ihr ermöglicht, aus sich herauszukommen, über sich hinauszuwachsen und in kurzer Zeit mehr zu erreichen, als sie sich es je hätte vorstellen können.“ Insgesamt gab es 720 Plätze für junge Geflüchtete, um an den berlinweiten Angeboten in den Herbstferien teilzunehmen.

Jugendliche gehen gestärkt in die Schule

Neben dem regulären Schulbesuch ist der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die zusätzliche Unterstützung für geflüchtete Kinder und Jugendliche wichtig, damit die jungen Menschen gut im Berliner Schulsystem ankommen. „Mit Programmen wie den Berliner Ferienschulen möchten wir dazu beitragen, die Bildungschancen von zugewanderten Kindern und Jugendlichen zu erhöhen. Das Beherrschen der Unterrichtssprache Deutsch ist dafür entscheidend: Denn darüber erhalten sie Zugang zu neuen Erkenntnissen, die für ihre Zukunft wichtig sind,“ sagt Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Bereits seit 2015 gibt es die Berliner Ferienschulen. „Seitdem setzen wir, wie in all unseren Programmen, bei den Stärken der Kinder und Jugendlichen an. Wer weiß, was er kann, tritt selbstsicherer auf und traut sich mehr zu. Das hilft im Falle der Berliner Ferienschulen beim Deutschlernen, Finden neuer Freunde und erproben neuentdeckter Fähigkeiten“, erläutert Annekathrin Schmidt, Leiterin der DKJS für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Montag beginnt für alle Schülerinnenund Schüler wieder der Schulunterricht. Der ein oder andere Teilnehmende aus dem Projekt von PluralArts wird sich in den kommenden Deutschstunden vielleicht an den Applaus des Publikums erinnern und gestärkt auf der Schulbank sitzen – mit neuem Mut für die nächsten Wege.