25.03.2021 · Aktuelles

Barcamp KindGERECHT_beteiligen: Partizipation als Superstar?

© Phineo/dkjs/Auridis/Andi Weiland

Von der Online-Jugend-Redaktion und passgenauen digitalen Beteiligungsformaten über Partizipation als Standortfaktor bis hin zu datenbasiertem Monitoring, um Teilhabe zu fördern – im Barcamp der Initiative Kommune 360° tauschten sich am Mittwoch rund 170 Teilnehmende aus der kommunalen Praxis, Zivilgesellschaft und Wissenschaft in 34 Sessions zu Fragen und Perspektiven von Kinder- und Jugendpartizipation aus. „Partizipation ist ein Superstar unter den Begriffen, wenn man zum Thema ‚kindgerecht Aufwachsen‘ etwas sagen will. Aber wie sieht echte Beteiligung aus? Sie setzt eine Stärkeorientierung voraus und die Ernsthaftigkeit, Teilhabe auch tatsächlich zu ermöglichen“, sagte zum Auftakt Dr. Heike Kahl, Geschäftsführerin der DKJS. Notwendig sei es, sowohl Zuversicht und Vertrauen aufzubauen sowie Räume und Bedingungen zu schaffen, sodass Kinder und Jugendliche sich wirklich beteiligen können. Dies biete die Chance, die Kompetenzen und das Wissen von jungen Menschen einzubringen.

Partizipation ist kein Zugeständnis von Erwachsenen, sondern ein fundamentales Recht für Kinder und Jugendliche“, verdeutlichte Prof. Dr. Jörg Maywald, Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums und u. a. Sprecher der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Denn Beteiligung ist eine von drei Säulen der Kinderrechte. Dazu gehören Meinungsfreiheit, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Zugang zu Medien. Entsprechend haben junge Menschen das Recht auf Beteiligung bei allen kinderbetreffenden Belangen auch in der Öffentlichkeit und Kommune. Maywald betonte, dass das Einbeziehen von Kindern die Chancen auf eine nachhaltige Wirkung steigere.

Für Carsten Roeder, Sozialpädagoge und Leiter des Kinder- und Jugendbüros Itzehoe, ist klar: Beteiligung macht Demokratie – aber nur wenn wir Macht mit den Jüngeren teilen und als Ältere die Verantwortung dafür übernehmen. Das geht nicht ohne Vertrauen und Risikofreude – ist also Kinder- und Jugendbeteiligung nichts für unsere deutsche Bürokratie? „Wir müssen die Macht der Entscheidung durch die Macht der Moderation in Beteiligungsprozessen ersetzen“, so Roeder.

Botschafter des Change

Brauchen wir ein Wahlrecht für Kinder? Und wie ließe sich das umsetzen? Wie kann die Beteiligung von Eltern gestaltet werden? Mit welchen Methoden gelingt die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Kommune? Deutlich wurde: Es gibt nicht nur eine, sondern ganz unterschiedliche Strategien und Methoden, um Kinder, Jugendliche und auch Eltern in kommunale Gestaltungsprozesse einzubeziehen und so eine für alle lebenswerte und bildungsgerechtere lokale Lebenswelt zu schaffen.

Grundvoraussetzungen sind jedoch immer: Allen Beteiligten zuhören und sie aktiv einbeziehen, den Willen haben, etwas zu verändern, die Beiträge und Meinungen der anderen wertschätzen – und Zeit, denn Veränderungen passieren nicht sofort. Überzeugend ist schließlich das Zeigen von Wirksamkeit, anhand von Geschichten oder harten Zahlen, denn: „Wenn man den Erfolg sieht, will man ein Teil davon sein“, berichtete Prof. Donna Hall, Manchester. Sie hat über mehr als zehn Jahre den ‚Wigan Deal‘ begleitet, einen langen wie radikalen Veränderungsprozess in Wigan in Nordengland. Obwohl die problembelastete Kommune viele monetäre Ressourcen in Gesundheit und Soziales investierte, zeigten sich keine wesentliche Verbesserungen. Erst mit der Partizipation aller Bürger:innen – vom Bürgermeister über Verwaltung und Ämter bis hin zu Bürger:innen wie Kindern und Jugendlichen – gab es messbare Veränderungen. Die Empfehlungen von Prof. Hall: Alle einbeziehen und zu Botschaftern von Change machen.

Kinder sind Profis für die eigene Lebenswelt

Was macht eigentlich ein:e Kinderbürgermeister:in? Und wie wird man das? Wie lassen sich Jugendliche im ländlichen Raum beteiligen? Welche Hindernisse erschweren die Partizipation? Was sind passgenaue analoge wie digitale Formate der Beteiligung?

Demokratie muss man nicht nur wollen, man muss sie auch können. Kinder müssen in unserer komplexen Welt vor allem eines lernen: Handeln. Das lernen sie nur, indem sie Verantwortung tragen und praktisch gestalten können“, so Marina Weisband, Diplom-Psychologin, Publizistin und Leiterin des Projekts aula zur Schülerpartizipation. Wie man dabei nicht nur Selbstwirksamkeit erfährt, sondern auch Kompetenzen erwirbt, erzählte Nikita, die Kinderbürgermeisterin von Thalheim. In ihrer Amtszeit konnte sie beispielsweise Umweltprojekte realisieren – und ihr selbst fällt es nun leichter, öffentlich vor anderen zu sprechen und ihre Meinung zu sagen.

Nach den Sessions gab es Vorschläge der Teilnehmenden für die kommende Bundesregierung, um Kinder- und Jugendbeteiligung zu stärken, zum Beispiel das Kinderwahlrecht einzuführen oder wenigstens das Wahlalter zu senken, die Kommunen besser zu stärken, da diese Partizipation umsetzen, die Budgets und das Personal zu stärken sowie Beteiligung gesetzlich zu verankern.

Kommune 360° ist eine Initiative der Auridis Stiftung, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der gemeinnützigen PHINEO AG.