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Anforderungen an gute zeitgemäße Demokratiebildung

© dkjs/123comics

Was macht Corona mit mir und unserer Gesellschaft? Dieser Frage widmeten sich Jugendliche in den Demokratiewerkstätten „Virus vs. Demokratie“.

In insgesamt fünf Demokratiewerkstätten sprachen und diskutierten Jugendliche darüber, wie sie mit der Pandemie umgehen und wie sie auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen blicken. Ihre Erfahrungsberichte zeigen – bewusst oder unbewusst – Anforderungen, die sie an gute zeitgemäße Demokratiebildung stellen. Dazu gehört beispielsweise das Recht auf Mitsprache bei Diskussionen und Entscheidungen, die sie direkt betreffen, aber auch die Erweiterung des digitalen Ausbaus sowie eine strukturelle Veränderung ihrer Bildung.

Die digitalen Demokratiewerkstätten fanden im Dezember 2020 in verschiedenen Bildungseinrichtungen und Beteiligungsplattformen in Würzburg, Erkrath, Kleve und Straubing statt. Organisiert wurden sie von der DKJS im Rahmen des Kompetenznetzwerks „Demokratiebildung im Jugendalter“ gemeinsam mit der Akademie für philosophische Bildung und WerteDialog.

Alle Demokratiewerkstätten im Überblick finden sich am Ende des Beitrags.

Wie fühlt ihr euch?

In den reflektierten Gesprächen und Diskussionen wird deutlich, dass die Jugendlichen die COVID-19-Pandemie aktuell so stark beschäftigt wie kein anderes Thema. Ein großer Teil fürchtet sich vor dieser abstrakten Gefahr und vor der Möglichkeit, die Gesundheit anderer Menschen und der Großeltern zu gefährden. Damit geht die Bereitschaft einher, Kompromisse für das Wohl der Gemeinschaft einzugehen, auch wenn dies bedeutet, sich selbst einzuschränken. Gleichzeitig führen diese Einschränkungen bei den Jugendlichen unter anderem zu Langeweile und Verunsicherung. Sie vermissen Abwechslung im Alltag, ihre Hobbys, soziale Kontakte und die besten Freund:innen. Besonders in der Schule spüren einige der Teilnehmenden einen großen Druck, die ausgefallenen Inhalte trotz erschwerter Voraussetzungen bestmöglich zu kompensieren. Positiv blicken sie aber auch auf die viele Zeit, die sie nun mit ihrer Familie zusammen verbringen können.

Die gesellschaftliche Veränderung und Spaltung, die durch die Pandemie verstärkt wurden, beobachten viele Jugendliche skeptisch. Sie verstehen nicht, warum sich einige Personen trotz des Risikos der Ansteckung und Verbreitung nicht an die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus halten und damit andere Menschen in Gefahr bringen. Einige der Teilnehmenden nehmen sich vor, trotz oder gerade wegen der hitzigen Diskussionen weiterhin an den Zusammenhalt zu appellieren, optimistisch bzw. neugierig zu bleiben und beispielsweise Menschen nett und sachlich auf die Einhaltung der Maßnahmen hinzuweisen.

Was braucht ihr während der Pandemie?

Für die Jugendlichen ist es wichtig, dass Menschen sich miteinander verständigen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Sie möchten in gemeinsamen Gesprächen ein Verständnis dafür bekommen, weshalb das Gegenüber eine andere Perspektive einnimmt – und trotzdem ihren eigenen Standpunkt klar kommunizieren.

Die Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie beeinflussen den Unterricht und das Lernen für die Schülerinnen und Schüler. Sie wünschen sich hier unter anderem noch mehr Unterstützung beim selbständigen Lernen. Einigen fiele dies leicht, andere benötigen mehr Hilfe. Die klare Vermittlung der Lerninhalte durch die Lehrkräfte, gemeinsames Lernen mit anderen Schülerinnen und Schülern, die passende digitale Ausstattung für die Klassen – dies sind weitere Bedarfe, die die Jugendlichen nannten.

Außerdem sprechen die Jugendlichen über ihre persönliche Motivation. Selbst wenn sie Verständnis für die Einschränkungen haben, ist ihnen die Aussicht auf eine dauerhafte Veränderung wichtig. Sie möchten Fortschritte oder eine Wirkung erkennen, die durch ihre Einhaltung der Maßnahmen entstehen. Kritisch blicken sie hier auf Verordnungen, die in unterschiedlichen Bereichen auf verschiedene Weise angewendet werden oder in einem kurzen Zeitraum vermeintlich widersprüchlich geändert werden. An dieser Stelle fordern sie mehr Transparenz, um die unterschiedlichen Entscheidungen nachvollziehen zu können.

Was macht gute Demokratiebildung für euch aus?

Aus den konstruktiven Gesprächen und Ideen der Demokratiewerkstätten lassen sich – auch über die Pandemie hinaus – Anforderungen ableiten, die die Jugendlichen an gute zeitgemäße Demokratiebildung richten:

Die Jugendlichen betonen, dass sie an der Diskussion zur Pandemie, der Vereinbarung von Maßnahmen und der aktuellen Gestaltung ihres Schullebens beteiligt werden möchten. Sie wollen gehört werden, ihre Sichtweise einbringen und transparent bei Einschränkungen, die sie direkt betreffen, mit einbezogen werden. Auf diese Weise wäre es ihnen möglich, die Entscheidungen besser zu verstehen. Mit dem Blick auf die großen Entscheidungen wünschen sie sich Vorbilder, wie zum Beispiel Politiker:innen, die den oft geforderten gesellschaftlichen Zusammenhalt selbst vorleben.

Bildung ist für die Schülerinnen und Schüler wichtig, um Brücken zu bauen. Sie benötigen einen Ort bzw. Raum, in dem sie außerhalb ihrer eigenen Blase kommunizieren und sich sachlich zu vielfältigen Themen und Meinungen mit anderen Menschen austauschen können. Dabei legen sie großen Wert darauf, zwischen Fakten und unbegründeten Meinungen zu unterscheiden. Sie brauchen allerdings auch entsprechende Räume, um die Nachrichten aus den verschiedenen Medien ähnlich wie die unterschiedlichen Perspektiven der Menschen zu reflektieren.

In Hinblick auf ihre Bildung fordern sie auch generelle strukturelle Veränderungen. Hier bedarf es weiterer finanzieller Unterstützung und Bereitstellung von digitaler Hardware. Denn in der aktuellen Zeit ist den Jugendlichen eines besonders wichtig: das gemeinsame Lernen. Ohne die entsprechenden digitalen Ressourcen und Zugänge ist dies jedoch auch im Homeschooling nicht umsetzbar.

Zum Programm

Das bundesweite Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Jugendalter“ bündelt Kompetenzen, um demokratische Kultur und Strukturen sowie partizipative Ansätze in der schulischen und außerschulischen Bildung im Jugendalter zu stärken. Das Kompetenznetzwerk unterstützt Schulen, Akteure der Kinder- und Jugendhilfe und Kommunen mithilfe von Veranstaltungen, Publikationen, Beratungs- und Qualifizierungsangeboten bei der Umsetzung von Demokratiebildung im Alltag.
Die Partner im Kompetenznetzwerk sind die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, die Dialog macht Schule gGmbH, das Netzwerk für Demokratie und Courage und Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (Aktion Courage e.V.). Das Kompetenznetzwerk wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.