25.05.2016 · Aktuelles

„Alles entscheidet sich in den Kommunen“

© dkjs/K. Uldbæk Nielsen

Integration vollzieht sich immer vor Ort. „Ja, wo denn sonst?“, fragt sich Migrationsforscher Prof. Dr. Bade. Im Interview erklärt er, warum man Kommunen ernst nehmen und fördern sollte, damit die Integration von Geflüchteten nicht scheitert.

Hier lesen Sie das Gespräch in Auszügen:

 

Momentan ist die Lage überall sehr angespannt, die Kommunen sind im Krisenmodus. Was braucht es, um die Situation zu meistern?
Dies ist eine ungewöhnliche Situation, aber so ungewöhnlich auch nicht. Vor einem Jahrhundert hatten wir die Massenzuwanderung aus dem preußischen Osten, z. B. die Ruhrpolen. Gelsenkirchen nannte man damals das „New York der Ostpreußen“. Wir hatten in Deutschland nach 1945 die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen, dann die Aussiedler, schließlich die Umsiedler aus den neuen Bundesländern. 1992/93 hatten wir über eine Million Zuwanderer, darunter allein 250.000 Roma. Es hat jeweils viele Probleme gegeben und häufig hat man gesagt: „Das wird nie klappen.“ Hinterher funktionierte es dann doch.

Aber es gibt keine Zauberformel für die kommunale Integration bei Massenzuwanderung. Ich gehe davon aus, dass wir das durchaus schaffen können – aber nur unter zwei Bedingungen: Erstens müssen die am meisten betroffenen Städte und Bundesländer entlastet werden. Und zweitens, wenn Deutschland selbst einen Teil seiner Flüchtlinge an andere Länder in Europa abgeben kann. (…)


Kennen Sie Beispiele, wo Integration richtig gut gelaufen ist?
Die Annahme, dort, wo es keine Arbeit gibt, gelänge die Integration schlechter oder gar nicht, ist zu einfach. Denn Integration ereignet sich nicht nur, sie ist immer auch eine kommunale Gestaltungsaufgabe. Das heißt, Integration gelingt in der Bundesrepublik zwar am besten, wo die Kommunen wohlhabend sind, wo die Sozialetats stimmen und wo Arbeitskräfte fehlen. Denn Arbeit ist neben Sprache die wichtigste Schiene der Integration. Integration gelingt jedoch oft am schlechtesten dort, wo man am wenigsten Erfahrung damit hat, nämlich dort, wo es wenige Zuwanderer gibt. Diese Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer ist ein ganz altes Problem. (…)

Wichtig ist es, darüber nachzudenken, wie man Integration fördern kann – auch wenn man als Kommune nicht besonders reich ist, auch wenn man keine stabilen Strukturen hat, auch wenn man keinen Mangel an Arbeitskräften hat. (...)

Glauben Sie, dass die Transferinitiative des Bundes für die Kommunen eine Hilfe sein kann, um diese Herausforderung zu bewältigen?
Ich halte die Transferinitiative für ein ausgesprochen glückliches, wichtiges und notwendiges Element im Integrationszusammenhang. Weil sie Mittel verfügbar macht, die unabdingbar sind, weil sie neue Ideen transportiert, weil sie die Kommunikation zwischen den Kommunen fördert, und weil sie die Kommunikation zwischen Kommunen, Bund und Ländern intensiviert.

Integration muss man von „unten“ – von der kommunalen Ebene aus – denken. Dort gibt es Erfahrungen und Ideen genug. Die Kommunen brauchen mehr Entfaltungsspielräume, weniger Bevormundung, mehr Anerkennung und mehr Geld. Dann finden sie selbst aus dem Krisenmodus heraus. Hilfreich dazu sind die Bündelung der Kompetenzen in den Kommunen und ein koordinierter und institutionalisierter Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen.

 

Das vollständige Interview ist in der aktuellen Ausgabe des Bildungslandschafts-magazins"bewegt" zu lesen. Hier können Sie die Ausgabe kostenlos herunterladen.

 

Die Transferagenturen für Großstädte arbeiten mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen unter anderem daran, Strategien für die Integration Geflüchteter in die lokalen Bildungssysteme zu entwickeln. In der Fachgruppe "Diversität und Bildung" können sich Verwaltungsmitarbeitende fachlich weiterbilden und mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Großstädten in Austausch kommen.