Übergangssektor – Wegbereiter oder Warteschleife?
Ergebnisse einer Fachkräftebefragung zu den Herausforderungen und Ausbildungschancen von Jugendlichen im Übergangssektor
15.01.2025

© DKJS/Caro Kadatz
Jedes Jahr beginnen fast 250.000 Jugendliche eine Maßnahme im sogenannten Übergangssektor, weil sie nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden oder ihnen wichtige Kompetenzen fehlen. Im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Bertelsmann Stiftung wurden bundesweit mehr als 1.500 Fachkräfte befragt, wie sie auf ihre Arbeit, die Jugendlichen und notwendige Veränderungen im Übergangssektor schauen. Ein Fazit: Mehr Jugendliche können und müssen direkt eine Ausbildung beginnen.
Warum und für wen der Übergangssektor wichtig ist
Nicht viele Menschen wissen, wer oder was genau der sogenannte Übergangssektor ist. Das verwundert wenig, da er durch eine große Vielzahl verschiedener Maßnahmen und ein breites Feld von öffentlichen und privaten Akteur:innen geprägt ist. Aber es gibt ein gemeinsames Ziel: Die Chancen junger Menschen auf eine Berufsausbildung verbessern.
Wie wichtig es ist, mehr Jugendlichen den Übergang in eine Ausbildung zu ermöglichen, zeigt ein Blick ins Jahr 2024: Bundesweit waren fast drei Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Besonders hoch ist ihr Anteil in der Gruppe derjenigen, die entweder keinen oder einen niedrigen Schulabschluss haben. Und besonders hoch ist auch ihr Risiko, ein geringes Einkommen zu erhalten und arbeitslos zu werden. Gleichzeitig blieben fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt und in fast allen Branchen werden qualifizierte Arbeitskräfte dringend gesucht.
Den Übergangssektor unter die Lupe nehmen
Die zentrale Frage ist jedoch, wie gut der Übergangssektor den Erwartungen gerecht wird und tatsächlich Ausbildungschancen eröffnet. Um Antworten zu finden, haben wir diejenigen befragt, die in Jobcentern, Berufsschulen, Bildungsträgern oder Einrichtungen der Jugendhilfe eng mit den jungen Menschen arbeiten. Was sind die zentralen Herausforderungen der Jugendlichen, die Maßnahmen im Übergangssektor absolvieren? Wie schauen sie auf die Angebote, Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Übergangssektor? Und welche Veränderungen sind notwendig und sinnvoll?
Die Befragung wurde im Herbst 2024 von involas – Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Die Teilnahme erfolgte freiwillig und anonym. Bundesweit wurden insgesamt 1.540 Fachkräfte erreicht.
„Wenn wir mehr jungen Menschen die Möglichkeit geben, direkt eine Ausbildung zu beginnen, verschaffen wir den Fachkräften im Übergangssektor gleichzeitig mehr Kapazitäten, um die Jugendlichen individuell zu fördern, die dringend Unterstützung benötigen. Das wäre ein großer Gewinn für alle Beteiligten.“
Andreas Knoke-Wentorf
Bildungsexperte der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung
Viele Jugendliche könnten auch direkt eine Ausbildung beginnen
Nach Auffassung der bundesweit befragten Fachkräfte könnte mehr als ein Viertel (26,3 %) der Jugendlichen in ihren jeweiligen Angeboten sofort eine Ausbildung beginnen, wenn es einen passenden Ausbildungsplatz für sie gäbe (26,3 %). Mehr als einem Drittel (36,4 %) trauen sie dies ebenfalls zu, sofern sie dabei professionell begleitet und unterstützt werden. Und lediglich ein ebenso großer Anteil (37,7 %) wäre nach Ansicht der Befragten nicht in der Lage, eine Ausbildung aufzunehmen.

Weitere Kernergebnisse sind: Ein Großteil der befragten Fachkräfte (80%) hat den Eindruck, dass die Arbeit im Übergangssektor in den letzten fünf Jahren schwieriger geworden sei. Dies führen sie insbesondere auf Veränderungen bei den individuellen Voraussetzungen der Jugendlichen und bei den Rahmenbedingungen zurück. Gefragt nach gewünschten Veränderungen, hätten die meisten gerne mehr Zeit für die direkte Arbeit mit Jugendlichen (82 %), für mehr multiprofessionelle Zusammenarbeit (79 %) und für den fachlichen Austausch.
Unsere Handlungsempfehlungen
Aus den Rückmeldungen der Befragten leiten wir drei politische Handlungsempfehlungen ab:
- Ausbildung stärken: Die Zahl der direkten Übergänge in Ausbildung kann und muss erhöht werden. Dies sollte zum einen durch mehr individuelle Förderung und Begleitung vor und während der Ausbildung erfolgen, zum anderen durch eine Flexibilisierung des Ausbildungssystems, um die Einstiegshürden zu senken.
- Individuellere Übergangsbegleitung: Maßnahmen und Projekte im Übergangssektor sollten so konzipiert und ausgestaltet sein, dass der Spielraum für individuelle Begleitung so groß wie möglich ist. Je individueller die Begleitung und Unterstützung am Übergang ist, desto besser werden die Übergangs- und Ausbildungschancen.
- Ausbildungsgarantie nachbessern: Die Regelungen des im August 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausbildungsgarantie sind noch zu wenig bekannt und reichen voraussichtlich nicht aus, um eine spürbare Verbesserung der Übergangssituation zu erreichen. Hier gilt es zum einen, die gesetzlichen Regelungen deutlich bekannter zu machen, und zum anderen, mit kritischem Blick zu beobachten, ob die Ausbildungsgarantie in der verabschiedeten Form halten kann, was der Name verspricht.
Eine Kooperation der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Für die Umsetzung erhält die DKJS eine Förderung aus Mitteln der Soziallotterie freiheit+.
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