Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) fordert: Jetzt in Teilhabe und Bildung investieren
27.02.2025
Berlin
- Junge Menschen fühlen sich von den etablierten demokratischen Parteien nicht mehr angesprochen und ernst genommen.
- Die DKJS fordert einen stärkeren Fokus auf bildungspolitische Themen in den Koalitionsverhandlungen sowie Investitionen in Teilhabe und Bildung.
Berlin, den 27.02.2025 25 Prozent für Die Linke, 21 Prozent für die AfD: Das Wahlverhalten der 18- bis 24-jährigen Jung- und Erstwähler:innen macht deutlich, dass es die demokratischen Parteien der Mitte nicht mehr schaffen, junge Menschen für sich zu gewinnen und adäquat in ihre Politik einzubeziehen. Dabei bewegt die Jugend große Sorgen rund um Klimawandel, Kriegsangst und wirtschaftliche Unsicherheiten. Nur 20 Prozent glauben aber, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Das zeigt auch der zurückliegende Wahlkampf.
Junge Menschen wollen Gesellschaft mitgestalten und gehört werden
Über die Hälfte der Jugendlichen interessiert sich für Politik und informiert sich aktiv, über ein Drittel will sich selbst engagieren, so die Ergebnisse der Shell Jugendstudie 2024. Jedoch bestimmen aufgrund des demografischen Wandels bald diejenigen über die Zukunft, die selbst nicht mehr berufstätig sind. Die Perspektiven jungen Menschen verlieren also an Bedeutung.
Anne Rolvering, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, sagt: „In einer alternden Gesellschaft ist die Gefahr groß, dass die Interessen junger Menschen immer weniger mitgedacht werden. Viele junge Menschen fühlen sich machtlos und nicht gehört. Die konstruktive, motivierende und zutiefst demokratische Perspektive, dass ich als junger Mensch mitreden und selbst etwas verändern kann, teilen immer weniger Jugendliche.“
Polarisierung im Klassenzimmer
Die U18-Wahlen sowie die Ergebnisse der Bundestagswahl zeigen: Junge Menschen wählen vermehrt links und rechts. Diese Polarisierung erleben sie täglich in Schule und ihrem Umfeld: „Ich äußere meine Meinung kaum, weil dann blöde Sprüche kommen“, sagt eine teilnehmende Person des DKJS-Programms VoiceUp!. Schüler:innen vermissen geschützte, moderierte und diskursive Räume und Austauschformate, in denen sie gemeinsam neue Sichtweisen und Einstellungen entwickeln können. Gefragt sind qualitätsvolle Demokratiebildung und pädagogische Fachkräfte, die Meinungsdiversitäten moderieren – das zeigen die Ergebnisse der VoiceUp!-Jugendhearings. „Wir müssen ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, um die Demokratie wieder neu zu beleben“, so ein junger Mensch im Programm VoiceUp!
Jugend- und Bildungspolitik müssen eine zentrale Rolle in der nächsten Legislatur spielen
Nicht nur die Demokratiebildung kommt zur kurz – Studien wie PISA belegen, dass das deutsche Bildungssystem lediglich bedingt leistungsfähig ist. Der Kompetenzrückgang von Grundschüler:innen im Lesen, Schreiben und Rechnen sinkt weiter. Jedes fünfte Grundschulkind kann nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen. 22 % der Schulabgänger:innen verlassen die Schule ohne oder nur mit dem Ersten Schulabschluss, während jährlich fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Fachkräftemangel beeinträchtigt die Qualitätsentwicklung in Bildung und Ausbildung, während der notwendige Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen Politik, Verwaltung, Träger und Praxis zusätzlich unter Druck setzt. Obwohl sie dringend als zukünftige Fachkräfte gebraucht werden, werden insbesondere bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche im Bildungssystem vernachlässigt.
Die Gesellschaft braucht jedoch junge Menschen für eine stabile, demokratische Zukunft. „Wenn junge Menschen sich nicht ernst genommen fühlen, der Politik immer weniger vertrauen und keine positiven Beteiligungserfahrungen machen, spielt das demokratiefeindlichen Kräften in die Hände. Es ist daher höchste Zeit, dass die Koalitionäre Bildung, echte Teilhabe und Demokratie, die an unseren Bildungsorten gelebt wird, zu zentralen Themen der Legislaturperiode machen”, appelliert Anne Rolvering von der DKJS an die Parteien.
Jedem Kind ein Hier, ein Jetzt und eine Zukunft. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) setzt sich ein für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche. Dafür bringt die DKJS Akteure aus Bildung, Politik und Zivilgesellschaft zusammen und entwickelt mit ihnen wirksame Lösungen auf aktuelle Herausforderungen im Bildungssystem. www.dkjs.de
Wir als Deutsche Kinder- und Jugendstiftung fordern die Bundesregierung auf, folgende Maßnahmen jetzt umzusetzen:
1. Wirksame Bildungsinvestitionen von Anfang an
In Deutschland ist der Bildungserfolg von Kindern eng mit ihrer Herkunft verknüpft. Herkunftsbedingte Ungleichheiten entstehen vor allem in den ersten Lebensjahren und bleiben über die gesamte Biografie erhalten. Um die Gerechtigkeit, Integrations- und Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems zu verbessern, ist es deshalb wichtig, insbesondere Kinder aus Risikolagen und ihre Familien möglichst früh gezielt zu fördern.
Eine gezielte Investition in die Qualität von Kitas und in die Unterstützung von Kindern, die in Risikolagen aufwachsen, sind die besten Bildungsinvestitionen. Wir empfehlen, dass Bund und Länder das Kita-Qualitätsgesetz dauerhaft verankern und ergänzend eine gezielte Förderung für Kitas in schwierigen Lagen verabreden. Diese erhalten mehr Personal und finanzielle Mittel, um zusätzliche Angebote zur Sprach- und Kompetenzförderung zu schaffen, Kooperationen im Sozialraum oder mit Grundschulen auszubauen, Kita-Sozialarbeit zu etablieren, familienorientiert zu arbeiten und die Elternverantwortung zu stärken.
2. Mehr Qualität in der ganztägigen Bildung
Die ganztägige Bildung und Betreuung für Kinder im Grundschulalter verbessern die Bildungschancen für alle Kinder. Um dieses Versprechen einzulösen, braucht es neben ausreichend vielen Ganztagsplätzen eine verbindliche und qualitätsvolle Umsetzung der Angebote vor Ort. Wir empfehlen eine bundesweite Initiative für mehr Qualität im Ganztag. Durch sie werden Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule, Kooperationspartner:innen im Sozialraum und Verwaltung begleitet und qualifiziert. Zugleich werden nachhaltige Strukturen ausgebaut, um einen hochwertigen Ganztag im Grundschulalter für Kinder und Familien zu sichern.
3. Das Fachkräftepotenzial geringqualifizierter Jugendlicher erschließen
Jedes Jahr verlässt ein Fünftel eines Jahrgangs die Schule maximal mit einem Hauptschulabschluss. Zu viele dieser Jugendlichen bleiben auch langfristig ohne Ausbildung. Sie haben geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und stehen nicht als Fach- und qualifizierte Arbeitskräfte zu Verfügung, die in allen Branchen dringend gesucht werden.
Wir empfehlen, die bestehende Exzellenzinitiative für Berufliche Bildung des Bundes um eine Initiative zu erweitern, die sich gezielt an geringqualifizierte und benachteiligte Jugendliche wendet. Diese sollte darauf gerichtet sein, schulische Angebote zur Berufsorientierung und zum Kompetenzerwerb ebenso zu fördern wie zielgruppengerechte Maßnahmen und Reformen im Übergangssektor umzusetzen.
4. Demokratiebildung und Kinder- und Jugendbeteiligung stärken
Unsere Demokratie steckt in einer Krise. Um dieser zu begegnen, braucht es gute Politik, die die Anliegen junger Menschen ernst nimmt und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht – insbesondere auch denjenigen, die in Risikolagen aufwachsen. Wir empfehlen, Demokratiebildung und Kinder- und Jugendbeteiligung durch folgende Maßnahmen verbindlich, wirksam und bundesweit zu stärken:
- Die Kinderrechte müssen im Grundgesetz verankert werden.
- Der Nationale Aktionsplan Kinder- und Jugendbeteiligung muss Beteiligung strukturell und auf allen Ebenen abdecken und Barrieren senken.
- Ein Demokratiefördergesetz muss Institutionen als Orte der politischen Bildung und des Demokratielernens und -lebens absichern.
- Gute Kinder- und Jugendarbeit ist nicht verhandelbar und muss über den Bundeshaushalt langfristig gesichert und in längerfristigen Förderungen verankert sein.
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