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Jetzt Tempo bei der KI-Qualifizierung für Lehrkräfte

Vor welchen Herausforderungen das Bildungssystem in Bezug auf KI steht und was jetzt passieren muss, erklärt Stefan Schönwetter, unser Experte für Digitale Bildung.

18.09.2024

Stefan Schönwetter

Zu sehen ist das Gesicht von Stefan Schönwetter, Experte für Digitale Bildung in der DKJS. Er trägt eine schwarze runde Brille, hat kurze braune Haar und einen hellen Hautton. Er lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sieht man unscharf das Gebäude des Berliner Bundestags.

Als wir im Jahr 2015 unser „Positionspapier Digitale Bildung“ veröffentlichten, entstanden acht Thesen. Diese boten uns in der Planung und Konzeption von Angeboten seither Orientierung.

 

Digitalisierung als Katalysator für moderne Bildungskonzepte

 

Drei Bereiche lassen sich heute identifizieren, die an Aktualität nichts eingebüßt haben. Ganz im Gegenteil. Sie sind noch wichtiger geworden.

  1. Erstens hinterfragten wir, wie Bildung mit dem Bedeutungswandel von Wissen umgeht.
  2. Zweitens vermuteten wir, Digitalisierung wirke „als Katalysator für moderne Bildungskonzepte, die auf individualisiertem Lernen, Lernbegleitung und Kompetenzorientierung basieren.“
  3. Drittens legten wir uns fest: Wichtiger als kaufbare Technik sind qualifizierte Lehrkräfte.

Wir formulierten diese Thesen auch in Erwartung eines DigitalPaktes Schule, der sich bereits abzeichnete und sich nahezu komplett auf die Hardwareausstattung fokussierte.

 

KI-Systeme bestimmen Bildungsdebatte zum DigitalPakt

 

Nun steht die Nachfolge des DigitalPaktes zur Debatte und die Thesen bleiben vor dem Hintergrund von KI-Systemen aktueller denn je. Hat der DigitalPakt Schule 1.0 in den letzten Jahren Schulen vor allem mit Tablets, WLAN, Smartboards und weiterer Informationstechnik ausgestattet, sind es seit Oktober 2022 KI-Systeme, die unsere Bildungsdebatte bestimmen.

Large Language Models wie chatGPT, Claude oder Mistral sind der starke Katalysator, den das deutsche Bildungssystem gebraucht hat. Fragen zum Wert schriftlicher Prüfungen rücken in den Mittelpunkt. Denn wenn Software innerhalb von Sekunden aus einem nahezu umfassenden Informationskanon heraus jegliches schriftliche Produkt (worunter auch Code für Powerpointpräsentation fällt) erstellen kann, ist die Form der Prüfung, wie wir sie bisher kennen, in ihrer Aussagekraft über das Wissen und Fähigkeiten der Schüler:innen stark gemindert.

 

Forschung zu Einfluss von KI auf Unterricht steht noch am Anfang

 

Dass Schüler:innen diese KI-Systeme nutzen, steht außer Frage. Jüngst zeigte die Studie „Pioniere des Wandels“ (Vodafone Stiftung 2024), dass 74 Prozent der Schüler:innen in Deutschland KI nutzen, in erster Linie aus eigener Initiative. 76 Prozent gaben aber auch an, dass KI an ihrer Schule keine Rolle spielt. Das kann man anprangern, aber man muss auch anerkennen, mit welcher Geschwindigkeit sich das deutsche Bildungssystem der KI-Herausforderung gestellt hat. Bereits im September 2023 wurde die erste Landelizenz für Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern erworben. Andere Bundesländer folgten.

Es ist davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten ein bis zwei Jahren auf KI-Systeme zugreifen kann. Damit rückt die Frage nach Qualifizierung von Lehrkräften und Lehramtsanwärtern in den Mittelpunkt. Welches Grundlagenwissen zu den technischen Systemen, welche Fähigkeiten braucht es und welche Vision von Bildung wird eigentlich mit KI angesteuert? Zur Wahrheit gehört derzeitig leider auch: Wir wissen es nicht. So schnell für Schulen derzeitig der Zugang zu KI-Systemen eingerichtet wird, so dünn ist auch die Forschungslage, was KI Im Unterricht für Möglichkeitsräume eröffnet. Der Diskurs zu KI in Bildung ist momentan getrieben vom Marketing der Anbieter.

 

Lehrkräften ermöglichen, auf dem KI-Zug schnell mitzufahren

 

Mit ungeahnter Geschwindigkeit sorgen KI-Anbieter jedoch für Disruption an allen großen Baustellen der schulischen Bildung. Wir dürfen deshalb die Lehrkräfte nicht mit Bollerwagengeschwindigkeit zu KI qualifizieren! Diese Lücke zu schließen ist derzeitig die größte Herausforderung im Feld. Dafür hat die DKJS im Programm bildung.digital Schulen mit KI-Tokens, also einer Art digitaler Währung, mit der man Zugänge zu KI-Systemen kauft, ausgestattet und ihren Einsatz systematisch ausgewertet.

 

Erstmals qualitative Forschungsergebnisse zum Einsatz von KI in Schulen durch Lehrkräfte

 

In diesem Halbjahr werden wir verstärkt auf die Veränderung der Rolle von Lehrkräften blicken. Eine Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Bildungsmedien ermöglicht die Auswertung von Interviews mit Lehrkräften, die erstmalig qualitative Einblicke in den Unterricht mit KI bieten wird. Auf Universitäten, Fortbildungsinstitute und Schulaufsichten sowie zivilgesellschaftliche Akteure wie die DKJS kommt die Mammutaufgabe zu, diese Rollenänderung zu begleiten, Prüfungskultur zu transformieren, schulisches Wissen neu zu definieren sowie KI in die Verwaltung und Organisation schulischer Abläufe einzubinden. Bei letzterem stehen wir noch ganz am Anfang.

2021 hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung das Whitepaper „Für mehr Handlungsmut: Sechs Anregungen für eine zeitgemäße Bildung“ veröffentlicht. Damals schrieben wir, dass der Schlüssel zu den gewaltigen, aber notwendigen Veränderungen, die auf das Bildungssystem zukommen, die Schulleitungen sind. Vor Ort, an den Schulen, nicht nur der Entwicklung hinterherzurudern, sondern auch Bildungsvisionen aufbauen, gestalten und managen ist nur möglich, wenn Schulleitungen dafür die personellen und finanziellen Ressourcen bekommen. Der Dringlichkeit und Schnelligkeit, mit der KI ihren Weg in die Schulen gefunden hat, wäre das angemessen. Hier kann und sollte ein DigitalPakt Schule 2.0 anknüpfen.

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